Leider muß ich mich heute mal mit einem Thema beschäftigen, das mehr politisch und weniger sportlich ist. Was war passiert? Ich bin begeisterte Hobby-Fahrerin beim Stevens-Cyclo-Cross-Cup und anderen Cross-Rennen (z. B. am Rande der LVM in Bremen oder beim Trek-Cup). In den vergangenen Wochen wurde ich vermehrt angesprochen, ob ich nicht auch mal in der Lizenz-Klasse antreten möchte. Dort könnte ich möglicherweise ein, zwei Fahrerinnen hinter mir lassen. Hmm, ich war zunächst skeptisch, beschäftigte mich aber immer mehr mit dem Gedanken. Und dann kam DIE Gelegenheit: Das Bundesliga-Cross-Rennen in Harburg. Dieses Rennen zählt nicht (mehr) zum Stevens-Cyclo-Cross-Cup und war daher für meine Gesamtwertung nicht wichtig. DA kann ich mal ausprobieren, wie ich so in der Lizenz-Klasse abschneide. Schließlich gibt es seit dem Jahr 2017 die Möglichkeit, eine Tageslizenz zu lösen, um genau dieses einmal auszuprobieren.

Gesagt, getan. Ich habe mir über das Online-Portal von rad-net eine Tageslizenz organisiert und mich für das Bundesliga-Rennen angemeldet. Die Ernüchterung folgte wenige Tage später, als mir mitgeteilt wurde, daß ich nicht startberechtigt sei. Viele Emails später, in denen ich versucht habe, meine Startberechtigung doch noch zu erzielen, stand dann fest, daß es bei der Entscheidung bleibt. Dies entspricht den Regelungen des BDR. Man mag es kaum glauben, aber nach Prüfung der zugrunde liegenden Regelwerke muß ich leider feststellen: Das stimmt. Und diese Ungeheuerlichkeit will ich jetzt einmal – juristisch aufgearbeitet – darstellen:

Grundsätzlich gilt gem. Ziff. 4.4.2 Abs. 1 der Sportordnung des BDR, daß „an Wettbewerben alle Lizenzinhaber gemäß den Bedingungen der Ausschreibung teilnehmen (können), die der entsprechenden Alters- und Leistungsklasse angehören.“ Die Alters- und Leistungsklasse wird in Ziff. 4.5 der Sportordnung näher definiert. Danach wird die Zugehörigkeit zu einer Kategorie nach Geschlecht und Lebensalter bestimmt. So zählen zur Kategorie „Männer Elite“ alle Fahrer im Alter von 23 Jahren und älter, die nicht die Kategorie „Männer Masters“ gewählt haben und zur Kategorie „Männer Masters“ alle Sportler im Alter von 30 Jahren und älter, die ausdrücklich diese Kategorie wählen (Ziff. 4.5.1. der Sportordnung). Entsprechendes gilt für die Frauen. Dort zählen zur Kategorie „Frauen Elite“ alle Fahrerinnen im Alter von 23 Jahren und älter, die nicht die Kategorie „Masters“ gewählt haben und zur Kategorie „Frauen Masters“ alle Sportlerinnen im Alter von 30 Jahren und älter, die ausdrücklich diese Kategorie wählen.

Die Wettkampfbestimmungen Cyclo-Cross (WB Cross) sehen in Ziff. 1.6 zudem die Möglichkeit vor, Hobby-Rennen anzubieten. Diese werden definiert als „Radsportwettbewerbe für Sportler ohne Radrennsportlizenz“. Damit gibt es zwei Arten von Rennen: Lizenz- und Hobby-Rennen – für Sportler mit und ohne Lizenz.

Bei Lizenzen wird unterschieden. Es gibt Jahres- und Tageslizenzen (Ziff. 5.2 der Sportordnung). Ich vermute, daß die Tageslizenz mit der amtlichen Bekanntmachung vom 26.6.2017 eingeführt wurde, um es Hobby-Sportlern zu ermöglichen, mal in die Lizenzklasse reinzuschnuppern. Zur Tageslizenz heißt es in Ziff. 5.2.2. Abs. 1 der Sportordnung: „Die Tageslizenz ermöglicht die Teilnahme an Lizenzradrennen auf der Straße, Bahn, BMX, eBike, MTB und Cross ab der Altersklasse U11 bis Master.“ Dabei muß eine Tageslizenz entsprechend Ziff. 5.2.2. Abs. 6 der Sportordnung „renn- und altersklassenbezogen“ beantragt werden. In Abs. 8 heißt es weiter: „Sportler/innen ab 40 Jahre bekommen automatisch eine Masterlizenz ausgestellt.“ In Abs. 10 wird noch klargestellt, für welche Rennen die Tageslizenz gilt: „Mit einer Tageslizenz kann man an den Rennen des BDR- und der Landesverbandskalender teilnehmen. Ausgeschlossen davon ist die Teilnahme an Deutschen Meisterschaften und an Landesverbandsmeisterschaften. Die Teilnahme an Rennen des UCI-Kalenders ist mit einer Tageslizenz ebenfalls nicht möglich.“

Wenn man sich das Regelwerk bis hierhin durchliest, klingt das alles ganz prima: Als Hobbyfahrer darf man mit einer Tageslizenz an vielen (nicht an allen) Rennen teilnehmen. Als Sportler über 40 Jahre bekommt man automatisch eine Masters-Lizenz und darf nicht zwischen der Masters- und der Elite-Klasse wählen. Das ist alles ok, denn Jahreslizenzfahrer dürfen gerne andere und weitergehende Rechte haben als Tageslizenznehmer. Aber warum wurde mir nun der Start verwehrt?

Dazu muß man sich die Generalausschreibung für die Bundesliga-Cross-Rennen anschauen. Dort heißt in den Teilnahmebestimmungen unter Ziff. 1.2:

„(1) Sportler, die die Kategorie Männer Masters gewählt haben, werden in folgende Altersklassen eingeteilt:
─ Masters 2 im Alter von 40 – 49 Jahren
─ Masters 3 im Alter von 50 – 59 Jahren
─ Masters 4 im Alter von 60 Jahren und älter.
(2) Sportlerinnen, die die Kategorie Masters gewählt haben und 40 Jahre und älter sind müssen bei den Frauen Masters starten.
(3) Fahrer und Fahrerinnen mit einer Masters-Lizenz dürfen nicht in der Elite-Kategorie starten.“

Das klingt soweit ja ganz schlüssig. Als Fahrer über 40 bekommt man sowieso automatisch eine Masterlizenz, wenn man eine Tageslizenz löst. Das paßt also. Aber dann muß man sich einmal anschauen, welche Altersklassen angeboten werden. Diese stehen in Ziff. 1 der Generalausschreibung:

1.1 männlicher Bereich
Schüler U15: Jahrgang 2009 / 2010
Jugend U17:   Jahrgang 2007 / 2008
Junioren U19: Jahrgang 2005 / 2006
Männer U23: Jahrgang 2004 / 2001
Männer Elite:  Jahrgang 2000 und älter (mit entsprechender Lizenz)
Masters 1:       Sportler mit entsprechendem Lizenzeintrag (Elite) sind startberechtigt
Masters 2:       Jahrgang 1983 – 1974 (mit entsprechender Master Lizenz)
Masters 3:       Jahrgang 1973 – 1964 (mit entsprechender Master Lizenz)
Masters 4:       Jahrgang 1963 und älter

Sportler mit einer Masterlizenz sind bei den Rennen der Elite nicht startberechtigt.

1.2 weiblicher Bereich
Schülerinnen U15:                 Jahrgang 2009 / 2010
Weibliche Jugend U17:          Jahrgang 2007 / 2008
Juniorinnen U19:                   Jahrgang 2005 / 2006
Frauen U23:                           Jahrgang 2004 / 2001
Frauen:                                   Jahrgang 2000 und älter

Sportlerinnen mit einer Masterlizenz sind bei den Rennen der Elite nicht startberechtigt.“

Und hier fällt der Fehler im System auf: Die Generalausschreibung hebt eindeutig hervor, daß Sportler und Sportlerinnen mit einer Masterlizenz bei den Rennen der Elite nicht startberechtigt sind. Aber während bei den Männern Rennen für die Masters-Klassen angeboten, fehlen diese bei den Frauen! Damit sind alle Frauen, die (freiwillig oder zwangsweise) eine Masters-Lizenz haben, von Rennen im Rahmen der Bundesliga Cross ausgeschlossen.

DAS ist dann scheinbar auch dem BDR aufgefallen. Jedenfalls wurde nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der Generalausschreibung am 9.8.2022 am 25.8.2022 eine amtliche Bekanntmachung veröffentlicht. Darin wurde geregelt, daß „Fahrerinnen mit einer Masterlizenz für die Cross-Saison 2022/2023 einen Lizenzwechsel vornehmen (von Kategorie Master in Elite) (können), um an den Cyclo-Cross Bundesligarennen (Elite Frauen) teilnehmen zu können. Ein Start mit einer Masterlizenz an Rennen der Cyclo-Cross Bundesliga ist nicht möglich.“ Eine entsprechende Regelung für Hobby-Fahrerinnen, die mit einer Tageslizenz starten möchten, fehlt dagegen.

Das heißt im Klartext: Als Hobby-Fahrerin über 40 mit Tageslizenz werde ich von Rennen der Cross-Bundesliga und allen anderen Veranstaltungen, in denen es kein Masters-Rennen für Frauen gibt, ausgeschlossen. Wäre ich ein Mann über 40 dürfte ich antreten, da es Masters-Rennen gibt. Wäre ich ein Mann unter 40 dürfte ich ebenfalls antreten, da ich sowohl im Masters- als auch im Elite-Feld (je nach Lizenz) startberechtigt wäre. Wäre ich eine Frau unter 40 dürfte ich ebenfalls antreten, weil ich dann eine Elite-Lizenz wählen kann. Als Frau über 40 Jahre habe ich jedoch keine Chance, da mitzufahren.

Ist das schon Diskriminierung? Aus meiner Sicht eindeutig ja. In § 19 AGG (Allgemeines Gleichstellungsgesetz) heißt es:

„Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die

  1. typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen oder
  2. eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben,

ist unzulässig.“

Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist dagegen gem. § 20 AGG nicht gegeben, wenn „für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt.“ Diesen sachlichen Grund kann ich hier nicht erkennen. Der BDR ist aus meiner Sicht daher gut beraten, sein Regelwerk jedenfalls an dieser Stelle gründlich zu überarbeiten.

Gerne könnt ihr im Forum über diesen Sachverhalt diskutieren.