2. Große Weserrunde, Hameln (Berichte + Bilder)

Benutzeravatar
dirksen1
Weltbeherrscher und Psychopath
Beiträge: 1401
Registriert: 09.11.2009, 12:06
Wohnort: Peine-Handorf
Kontaktdaten:

2. Große Weserrunde, Hameln (Berichte + Bilder)

Beitragvon dirksen1 » 04.10.2011, 11:03

<IMG src="https://lh4.googleusercontent.com/-kEG4 ... C02602.JPG" width="700">

<b>2. Große Weserrunde ab Hameln 2011
Mein erster 300er, Wow!!!</b>


So dachte ich beim Aufstehen um kurz nach halb 4. Halb 5 sollte die Anreise nach Hameln starten, Gast-Eule und Büttel-Bube Hermann sowie Eule Thomas standen pünktlich vor meiner Haustür, es ging los. Vor Ort empfing uns schon Organisator Andreas sowie zwei sympathische Mädels an der Anmeldung. Mit der Startkarte war es nun besiegelt: Heute würden 300 km auf dem (Rad-)Programm stehen.

Bild

Was zieh ich an, Schatz? Windweste? Blöd, muss ich dann bei den Tagestemperaturen irgendwo in das ohnehin mit Zusatz-Reserveschlauch, Riegeln, usw. überladene Trikot quetschen. Ärmlinge? Siehe Windweste.

Die Allzweckwaffe: Meine Regenjacke, die zusammengeknüllt kaum größer als ne Kinderfaust ist, wurde übergestreift, Klamottenfrage gelöst, ab aufs Rad. Um 7:15 Uhr wurde unsere Gruppe auf die Strecke geschickt.

Bild

Von Beginn an übernahmen die Eulen die Regie, basta.

Bild

Wir wollten schließlich unser Tempo fahren und uns nicht beeinflussen lassen…scheiße, haben wir dann doch. Bei einer Pinkelpause überholte uns ne Gruppe, die sich an einen Liegeradler angehängt hatte. In der Abfahrt schlossen wir auf, von da an wurde es unangenehm :? Hohes Tempo, wenig Streckenkenntnis, ein Garmin(?), das natürlich auf Fußgängerwegen mit sternförmigen Kreuzungen und Absperrpfosten bei Tempo 38 vollkommen überfordert ist, führten zu ständigen Verfahrern, Vollbremsungen und Überfahren einspuriger Fußgängerbrücken im Blindflug ob der noch nicht vollständig durch den Frühnebel gedrungenen Sonne und den entsprechend schlechten Sichtverhältnissen.

DAS WAR MIR ZU BLÖD UND ZU GEFÄHRLICH, SO HATTE ICH MIR MEIN ERTES „BREVET“ NICHT VORGESTELLT!!! :mad:

Ergo: Abstand halten, die Jungs fahren lassen, herrlich, wir waren wieder zu viert, das Radfahren machte wieder Spaß. So rollten wir mit Reisetempo in die aufgehende Sonne, die sich mit dem an den Berghängen festsitzenden Nebelschwaden einen visuell fantastischen Kampf um die heutige Vorherrschaft lieferte. Sie gewann überlegen,

Bild

uns zur großen Freude, denn irgendwann musste die Sinner doch mal auf „Dunkel“ schalten und die Wassertropfen als nicht wirklich sichtfördernden Belag abtrocknen. Was sich uns bei den ersten Sonnenstrahlen an Farbspielen bot, ist leider mit der Kompaktkamera nicht ansatzweise so eingefangen wie es war, aber so bleibt es in meinem Kopf als einmaliges Naturschauspiel, dem ich als Gast beiwohnen durfte…

Bild

Die ersten km spulten wir mit unserer 4-er Truppe ab. Ich begann früh mich dem Wechselreigen anzuschließen. Nur weil ich das Garmin am Lenker habe, will ich auf keinen Fall 300 km vorn fahren, könnte ich auch gar nicht. Die ersten Anstiege waren für meine frischen Beine noch kein Problem. Dass sich dies noch gravierend ändern sollte, dürfte dem aufmerksamen Leser und somit Kenner meiner sagenumwobenen Kletterkünste nicht sonderlich wundern. Aber egal, langsam und stetig ist besser als faul auf dem Sofa.

Am Bootshaus in Beverungen brutzelte ein Spanferkel wenig fröhlich vor sich hin, es war jedoch weder gar noch für uns gedacht. Schnell einen Kaffee und Wurst-Käse-Brötchen reinpfeifen, die erste Etappe war geschafft. Keine 300 mehr... :-)

Bild

Von den Regenjacken, Windwesten, Ärmlingen usw. wurde sich nun von allen dort eintreffenden Radlern entledigt. Die Sonne war unbestrittener Sieger am Himmel. Der sich uns zwischenzeitlich angeschlossene Fahrer (Kurt?), dem es in der Liegeradler-Gruppe auch zu hektisch zuging, ergänzte unsere Gruppe. Siggi, km-Sammler, der sogar die Anreise aus Hannover am frühen Morgen per Rad erledigte (chapeau!) sowie einige namentlich unbekannte Sportler ließen unsere Gruppe nun auf stattliche ca. 12 Leute anwachsen, eine schön Größe für regelmäßige Wechsel und somit kraftsparendes km-fressen…hmmm…yammi….

Über den aus Jörgs-Solling-Tour bekannten, weil dort schon entgegengesetzt gefahrenen Hügel nach Amelith wurde es für meine Beine das erste Mal schwer, grmpf… Ich will doch jetzt noch nicht anfangen zu meckern, dachte ich so bei mir und genoss die ruhige Fahrt bergauf und die entsprechend schnelle Fahrt bergab, in der ich auf meine Mitstreiter wieder aufschließen konnte. Ich denke, sie haben meine Schwächelphase gar nicht bemerkt…

Bild

Die Tour ging weiter, der Weser (zur Abwechslung nun zur Rechten) stromabwärts folgend. Unsere Gruppe harmonierte, meine Beine wurden schwerer, Hermann zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen, Thomas genau so wenig. Ich griff zur Trikot-Tasche. Ein Gel sollte mir helfen, tat es auch. Herrlich, wenn die Kraft wieder in die Beine zurückkehrt. Erneut beim Bootshaus angekommen, war das Spanferkel immer noch nicht fertig, ok, Käsebrötchen und literweise Apfelschorle sollten es richten, den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen (ein ausgeglichener Haushalt, nicht überall möglich…). Weiter radeln, radeln >>ffwd>> >play> (hatten wir schon, fand ich aber gut).

Bild

Von der Labestation mit den leckeren Radieschen ging es nun in die Ottensteiner Hochebene, ein langer (es war zwar gemäß Track der „falsche“, aber die Weserrunde hat keine Streckenvorgaben abseits der Kontrollpunkte) und im Schnitt 6-8% steiler Anstieg kurbelte uns über ungezählte Kehren auf die Hochebene, wo mich die grandiose Aussicht erst fast vom Rad fallen ließ, dann die Streckenabsprache mit Siggi, die die Schwächen einer briefmarkengroßen Topo-Karte aufzeigte, aber am Ende doch nach einer grandiosen Abfahrt die richtige Links-Abzweigung anzeigte, die uns wieder „auf Kurs“ brachte.

Bild

Dann kam er dann doch, mein Scharfrichter, der Typ, der meinen Beine jede noch so kleine Kraftanstrengung versagte: Der ewig lange, nicht sehr steile, aber stetige „Anstieg“ nach Aerzen und weiter Rtg. Weserfähre, der schon beim Weserbergland so manche Gruppen gesprengt und mich zum Single-Slower werden ließ, so auch heute. Es ging nichts, wirklich gar nichts mehr. Mit minus 3 km/h waberte ich die Straße entlang, meine Gruppe verschwand am Horizont und verschwamm vor meinen Augen. Was nun? :mad:

Ich hatte einfach keinen Bock mehr, mein Arsch tat weh, meine Beine taten nicht das, was sie sollen, Durst, Hunger, aber dann: Ein Klackergeräusch am Fahrrad. :cool: Endlich hatte ich den Grund dafür, warum ich nicht mehr konnte, die Technik. Super, so hatten Marian und ich uns wenigstens was zu erzählen, während ich in gefühlten 6 Stunden 10 km zurücklegte…

Rinteln! Rinteln! Dort gibt es Verpflegung. Rinteln! Es war soweit. Rinteln! Ab sofort meine Lieblingsstadt, ich werde einen Einreiseantrag stellen. Auf dem dortigen Weinfest wurden alle Speicher wieder gefüllt, Fritz-Kola musste her. Rein mit dem Zucker,

Bild

Mehr davon und noch eine ins Bidon umgefüllt für den „Schluss-Sprint“ nach Hameln und ein solcher war es auch. Sämtliche „Kürzer“- oder auch „Wir müssen rechts“-Schreie halfen nichts, alle wollten so schnell es ging nach Hameln. So spurteten wir sowohl abseits des Weserradweges als auch der Straßenverkehrsordnung mit selten unter 40 km/h Richtung Süden, ich lutschte an vorletzter Stelle irgendwie mit.

Auch dieses Nahtod-Erlebnis ging zu Ende, die Schnellstraße spuckte 6 lebensmüde Radsportler mit roten Funzeln am Heck unversehrt wieder aus, die letzten Meter durch Peine wurden zu einem Wettgrinsen und am Startort wieder angekommen, war es ein Gefühl wie nach einem guten Joint. Nicht müde, aber platt, glücklich, nach innen lächelnd und mit dem trügerischen Gefühl bepackt, man könnte die Welt beherrschen, muss es aber nicht. Geil.

Bild

Was lernt man bei einem 300er oder bzw. was habe ich gelernt bei meinem ersten 300er? Dass
  • - die Ernährung das A und O ist
    - das Mille-Sitzpolster eines Schweizer Radklamotten-Herstellers bei einem übergewichtigen Radsportler nach 300 km auch nichts mehr ausrichten kann bzgl. der Sitzqualität
    - die Verdauung 12 Std. nach der Tour durchaus wieder normal zu funktionieren scheint
    - man sich durchaus während der Veranstaltung ein paar Mal fragen darf, ob das denn unbedingt sein muss und was man für die Wochen danach nun alles absagen wird
    - man aber all dies im Ziel sehr schnell vergisst und sich einfach nur freut und es genießt, eine persönliche Grenze überschritten und sie so ein kleines Stückchen höher gelegt zu haben
    Ich komme wieder…
Hier kommen die Bilder von Eule Thomas.

Und hier von die Bilder von mir.
Zuletzt geändert von dirksen1 am 04.10.2011, 15:16, insgesamt 2-mal geändert.
ES LIEGT NIE AM RAD!
Bild
Benutzeravatar
Janibal
A-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 975
Registriert: 01.12.2008, 14:07
Wohnort: Bad Sooden Allendorf

Beitragvon Janibal » 04.10.2011, 11:40

Sehr schön beschrieben, was Grenzverschiebung bedeutet und wie du dahin kommst. Die 300 km kannst du aber auch einfacher haben, z. B. bei der Vätternrund.

2012 mal die 400 km. Es wird gemunkelt, wer 400 fahren kann, kann alles fahren.
Eule D1 hat geschrieben:- ich komme wieder…
Dann mit den Rad von Peine aus... Warmfahren.
St. Jan
sbach2o
C-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 38
Registriert: 06.08.2007, 13:19
Wohnort: Hannover

Beitragvon sbach2o » 04.10.2011, 12:02

Hallo Andre, da bist Du mir zuvor gekommen. Hier die Sicht von Siggi, dem Typen, der auf dem Rad an- und auch wieder abgereist ist:

Nun also mein erster Brevet. Die Streckenlänge von 300 Kilometern sollte für mich machbar sein. Immerhin fahre ich schon seit ein paar Jahren den Lauenauer Weserberglandmarathon mit An- und Abreise auf dem Fahrrad, was ab meiner Wohnung in Hannover ziemlich genau 300 Kilometer ergibt. Auch in diesem Jahr hatte ich dieses Programm abgespult. Um meine Grenzen etwas weiter auszuloten, spielte ich mit der Idee, auch die An- oder Abreise nach Hameln mit dem Fahrrad zu machen, vielleicht sogar beides, abhängig davon, ob ich vorher rechtzeitig aus dem Bett komme und nachher noch die Motivation aufbringen kann.

Und wie bereitet man sich auf einen Brevet vor? Eine Ausschilderung der Strecke gibt es nicht, das heisst Kartenstudium. Ein Navigationsgerät kann nicht schaden, aber ich habe keines und auf so einigen navigeführten Touren musste ich merken, dass es oft schwierig sein kann unter mehreren dicht aufeinanderfolgenden Abzweigungen die richtige zu finden. Generell sollte es sich auch als problematisch erweisen, Abzweigungen rechtzeitig denjenigen zu kommunizieren, die die Gruppe gerade anführen, vor allem wenn man sie selbst erst im letzten Augenblick erkennt. Nun ist die Routenbeschreibung eines Brevets ein Vorschlag und nicht unbedingt verbindlich. Im Rückblick wäre ich gut beraten gewesen, mich in einem bestimmten Abschnitt nach Alternativen zur vorgeschlagenen Strecke umzusehen. Dazu später mehr.

Beleuchtung würde ich brauchen. Bei der Anreise nach Lauenau vor zwei Wochen hatte ich wieder einmal feststellen müssen, dass meine billige Batterieleuchte nichts taugt. Die Helligkeit war zu gering und das ausgeleuchtete Feld so ungleichmässig, dass ich überall Geisterschatten wahrnahm und bei der geringsten Blendwirkung im Blindflug unterwegs war. Ich schaffte mir also kurzfristig eine Ixon IQ von Busch und Müller an, und das Teil sollte jede Gelegenheit bekommen, sich zu bewähren.

Dann stellte sich die Frage, was ich an Ausrüstung und Werkzeug mitnehme. Angesichts der im Gegensatz zu einer RTF nicht zu erwarteten Rundumversorgung (Blödsinn - dazu später mehr) wollte ich besonders gut vorbereitet sein, mit einem zusätzlichen Ersatzschlauch, einer abgefahrenen Decke zum Wechseln (hätte in diesem Jahr auf zweien meiner Touren nützlich sein können), Verpflegung, undsoweiter, undsofort. Dem stand aber die Wettervorhersage mit Temperaturn von über 25 Grad entgegen. Einen Rucksack wollte ich mir bei solchen Bedingungen nicht überwerfen, und entsprechend wurde selektiert: Auf die Schockapotheke kann ich verzichten, da mit Wespen kaum noch zu rechnen ist, Ersatzakkus und Batterien für die Beleuchtung mussten mit, Flickzeug lasse ich zu Hause, zwei Ersatzschläuche braucht man nicht, lieber etwas zu viel Verpflegung als zu wenig, Windjacke als Warnwestenersatz in der Dunkelheit nehme ich mit... Aus irgendeinem Grunde wollte ich unbedingt den Ersatzreifen mitführen. Damit war das immer noch zu viel Kram für die Trikottaschen. Statt Rucksack hängte ich mir eine recht unpraktische Hüfttasche um.

Der Wecker klingelte um viertel vor vier und nach Frühstück und ein paar wenigen weiteren Vorbereitungen saß ich auf dem Fahrrad. Drei Wochen zuvor hatte ich mir eine Anfahrtsroute auf den Radwegen entlang der B217 angesehen und verworfen. Zuviel Erntedreck, Schlaglöcher und gefährliche Schotter- und Sandspuren an den blödesten Stellen. Also fuhr ich Landstrasse über Pattensen, Eldagsen, Coppenbrügge. Da hat man mit den reflektierenden Seiten- und Mittelstreifen auch zusätzliche Orientierung, und ich konnte die Frontleuchte größtenteils im lichtschwachen Stromsparmodus betreiben.

In Coppenbrücke merkte ich, dass die Batterien der Rückleuchte, wie es sich schon angekündigt hatte, am Ende waren, und wechselte sie aus. Eine Vorbereitungsmaßnahme, die sich ausgezahlt hatte - nun gut, die hätte ich auch zu Hause wechseln und etwas Ballast sparen können. Ein schnell korrigierter Verfahrer nur in Rohrsen, dann war Hameln erreicht. Den Weg zum Startort am Schillergymnasium kannte ich von meiner Erkundungstour. Die Anreise von 55 Kilometern war absolviert, allerdings mal wieder zu schnell, mit Kneifen in den Oberschenkeln.

Dort traf ich ein paar Bekannte von diversen RTFs und Radmarathons, Andre, Hermann und Thomas, die eine Startgruppe vor mir auf die Strecke gingen, dazu Johannes vom RTC Altwarmbüchen, der mit mir zusammen eingeteilt war. Entsprechend den behördlichen Auflagen wurden wir in Gruppen von maximal 15 Fahrern und etwa dreiminütigen Abständen losgeschickt. Die Windjacke hatte ich mittlerweile in einer Trikottasche verstaut. Trotz etwas kühler 10 Grad hatte sie sich auf der Anreise als Schwitzkasten erwiesen.

Gleich am Ortsausgang Hamelns umfingen uns die ersten Nebelfelder. Die hatte ich hier und da schon bei der Anreise bemerkt, aber im Flusstal der Weser sollten sie sich noch eine Weile halten. Zu einem echten Problem wurde der Nebel aber erst ein paar dutzend Kilometer weiter, hinter Bodenwerder. Vorher hatten wir uns, in die aufgehende Sonne fahrend, kurz von der Weser entfernt, um ab Heyen einen Höhenrücken zurück zum Fluss zu überqueren.

Der Wind hatte die Nebelschwaden in eine Wolkenwalze auf der anderen Weserseite gedrückt, und auf unserer Seite war der Blick klar. Ein Postkartenmotiv, und die Fotoapparate wurden gezückt. Doch wenig später fuhren wir in diese Nebelwand hinein und mir begann wegen der sich beschlagenden Brille die Sicht zu verschwimmen. Über den Brillenrand sehe ich gerade noch genug, musste aber gegen den Impuls ankämpfen, mich aus der Gruppe herausfallen zu lassen. Noch vor Erreichen von Holzminden lösten sich die Schwaden glücklicherweise auf.

Teilweise über Radwege und mit etwas Verfahrerei um Holzminden herum wurde ein Abstecher auf die andere Weserseite gemacht und Beverungen mit der ersten Zwischenstation bzw. Kontrolle erreicht. Nach kurzer Konfusion über den Ort der Kontrolle - "Hinter der Brücke?", ich: "Nein, ein Stück den Radweg weseraufwärts" - zu irgendwas muss es ja gut sein, wenn man sich den Weg einprägt - erreichten wir das Bootshaus Beverungen, wo es belegte Brötchen, Getränke und eine Möglichkeit die Trinkflaschen aufzufüllen gab.

Dort traf ich auch die drei aus Peine bzw. Wolfenbüttel, denen ich fortan zu folgen versuchte. Nach kurzem Abstecher in den Solling über Amelith kehrten wir bei Bodenwerder zur Weser zurück, der wir in zügiger Fahrt bis Hannoversch Münden, der nächsten Zwischenstation am Zusammenfluß von Fulda und Werra, folgten. In der Wegbeschreibung hieß es "Achtung: Fußgängerzone!" und die Warnung war begründet. Im Bereich jenseits der Fußgängerbrücke über die Werra herrschte ein riesiges Gedränge. Auf dem Vorplatz des Ratsbrauhauses war ein Markt aufgebaut, der geradezu aus allen Nähten platzte. Ein Helfer erwartete uns, um auf unsere Fahrräder aufzupassen, während wir uns im Ratskeller verpflegen konnten (wurde der Aufpasser wenigstens abgelöst?). Die Verpflegung hatte es in sich. Wir konnten aus einem warmen Buffet frei auswählen, und das zu einem deutlich vergünstigten Preis. Das Getränk des Tages war, vorgegeben von Andre, Apfelschorle. Es macht die Bestellung einfacher, wenn einer ansagt und alle anderen "Ich auch".

Wenn mir die Fahrt weseraufwärts bisher zügig vorgekommen war, wurde es nun, mit etwas erweiterter Gruppe, überaus schnell. Teilweise ging es mit 35 bis über 40 Stundenkilometern weserabwärts. Als ich später für einen kurzen Abschnitt die Führungsarbeit übernahm, musste ich merken, dass ich zu einem solchen Tempo im Wind fahrend nicht mehr in der Lage war. Im Weiteren blieben meine Beiträge zur Gruppe auf ein mehr oder weniger besserwisserisches "Wir hätten wohl da und dort so und so gemusst" beschränkt, wenn wieder eine Abzweigung entlang der vorgeschlagenen Route verpasst worden war.

Der zweite Stopp am Bootshaus Beverungen wurde über die B83 statt laut Routenbeschreibung dem Weserradweg erreicht. Es folgte ein ca. 30 Km langer Radwegabschnitt entlang der Weser, auf dem einiger Betrieb an (Fuß- und Rad-)Wanderern herrschte. Unser Tempo blieb trotzdem zügig, und die zahlreichen Sehenswürdigkeiten, die die Region hier zu bieten hat, glitten meist wenig beachtet an uns vorbei, bis auf das Kloster Corvey, vor dem wir Halt machen mussten, weil eine Eisenbahnschranke zu war.

Die nächste Kontrolle/Verpflegungsstelle in Brevörde war nach gutem RTF-Standard bestückt (endlich Bananen!) und wurde von Helfern eines Hamelner Radsportvereins betreut, wenn ich das richtig verstanden habe. Dieser Verein (einen Namen habe ich leider nicht) scheint für das kommende Jahr die Austragung einer neuen RTF zu planen. Eine Veranstaltung, die ich auf dem Radar behalten werde, auch wenn sie nach dem, was ich bisher aufgeschnappt habe, zeitgleich mit der RTF in Osterode stattfinden könnte. Vermutlich sind diese Termine noch nicht offiziell, und vielleicht sind die beiden Orte ja weit genug voneinander entfernt, dass sie sich nicht zu viele Teilnehmer gegenseitig abjagen.

Ein Großteil der nächsten Etappe nach Rinteln hatte eine vom Lauenauer Radmarathon wohlbekannte Streckenführung. Diese und die Ortschaften auf der Ottensteiner Hochfläche, die es nun zu erklimmen galt, kenne ich inzwischen mit verbundenen Augen. Unsere starken Leute brausten an der Abzweigung in das Glessetal vorbei und nahmen stattdessen den krickeligen Anstieg Richtung Ottenstein. Knapp 200 Höhenmeter auf drei Kilometern hat diese bei Motoradfahrern beliebte Straße zu bieten.

Oben angekommen stellte sich die Frage, wie wir auf den Track zurück kommen. Drei Routen standen zur Auswahl. Direkt ab Ottenstein nach Glesse zu fahren, wurde verworfen. Das geht über 100 Höhenmeter bergab, die man dann wieder erklettern müsste. Ab Ottenstein wie beim Lauenauer Marathon durch Lüntorf zu fahren, wäre eine Option gewesen, aber wir entschieden uns vor Lüntorf nach Lichtenhagen abzubiegen, um den wohl höchsten Punkt der Weserrunde und eine Serpetinenabfahrt entsprechend dem Tourvorschlag mitzunehmen.

Mit Sonnenuntergang erreichten wir Rinteln. Zunächst sah der Ort wie ausgestorben aus, aber am Marktplatz merkten wir, dass der gesamte Ort sich wohl dort am Weinfest versammelt haben musste. Dort erwartete uns eine weitere überaus üppig ausgestattete Verpflegungsstelle. Zusammen mit dem Fahrtenheft hatten wir Gutscheine für ein freies Getränk und eine Mahlzeit erhalten, gesponsort von den Stadtwerken Rinteln.

Wie auch die vorhergehenden Zwischenhalte lud dieser zum Verweilen ein. Als wir gestärkt für die letzten knapp 30 Kilometer aufbrachen, war die Dämmerung weit fortgeschritten und die Orientierung für die Fahrt nach Hameln fand anhand der Straßenausschilderung statt. Bei mir machte sich mit zunehmender Dunkelheit die Unsicherheit beim Fahren in der Rennradgruppe immer stärker bemerkbar, und ich spürte den Drang, mich hinten herausfallen zu lassen. So war ich nicht ganz unglücklich, als ich einen Wegweiser mit Rechtsabzweigung Richtung Großenwieden sah, was auf der offiziellen Wegbeschreibung lag, und meine Rufe "Rechts, rechts" unerhört blieben. Ich scherte also an der Abzweigung alleine rechts aus, während die Gruppe weiter entlang der B83 Richtung Hameln schnürte.

Von nun an war ich auf die memorierte Kartendarstellung des Tourvorschlages bzw. die ausgedruckte Routenbeschreibung angewiesen. Aktuelle Karten hatte ich nicht dabei, sonst hätte ich unschwer erkennen können, dass die vernünftigste Route auf Neben- und Landstraßen über Hessisch Oldendorf, Fischbeck und Wehrbergen nach Hameln geführt hätte. Ich versuchte stattdessen ab Großenwieden den Rad- und Wirtschaftswegen zu folgen, was im Dunkeln und wenn man es eilig hat ein Abenteuer ist. Aber ein bestandenes Abenteuer ist ein gutes Abenteuer.

Zunächst das Problem, in Großenwieden die richtige Rechtsabzweigung (Richtung wohin? Egal einen Wegweiser sah ich eh nicht) zu finden. Die sollte kurz vorm Ortsausgang nach Welsede kommen, aber welche der Straßen? Die hier sieht wie eine Durchangstraße aus... und geht am Ortsausgang weiter! Hier bin ich richtig (hoffentlich). Nun müsste es schräg auf die B83 zu gehen... Da hört man sie schon. Kurz vor einer Auffahrt oder Brücke rechts ab auf einen... Radweg? Das zieht sich aber. Hier kann man rechts, ist ein Wirtschaftsweg, aber er schmiegt sich nach ein paar dutzend Metern an die Bundestraße, muss also stimmen!

An der nächsten Kreuzung seitlich versetzt queren auf einen Betonplattenweg. Ups, ist ein Weg mit zwei parallelen Betonplattenpfaden, und ich bin auf dem Mittelstreifen gelandet. Hmmm... hier geht es links oder geradeaus... Anhalten, Wegbeschreibung ausgepackt und vor den Frontscheinwerfer gehalten. Sind nur noch zwei, drei Punkte bis Wehrbergen. "Ausgeschilderter Radweg Richtung Hameln.", an irgendwelchen Teichen vorbei, irgendwann rechts auf die "alte B83". Mittlerweile ist es stockduster. Wie folge ich einer Ausschilderung? Und Teiche werde ich bestimmt nicht mehr sehen, es sei denn ich fahre rein.

Also fahre ich weiter geradeaus und der Weg verläuft sich im Staub auf einem nicht so recht erkennbaren Untergrund (Im Rückblick hätte ich hier in die Weser fahren können). Links über mir spannt sich eine Brücke. Welche könnte das sein? Das müsste die Weserbrücke bei Hessisch Oldendorf sein, also nach etwas Suchen zurück und nun rechts unter der Brücke durch. Da stehen Wegweiser, aber im Vorbeifahren kann ich sie nicht lesen. Angehalten, Vorderrad angehoben und die Schilder ausgeleuchtet. "Hameln, Fischbeck", da muss ich lang! Der befestigte Weg weicht einer Schotterpiste, aber mir ist schon klar, dass ich an der Gabelung, an der ich die Instruktionen studierte, links hätte abbiegen müssen.

Die Prozedur mit dem Lesen der Wegweiserschildern wiederholt sich ein paar mal. Dann schält sich aus der Dunkelheit eine ältere Frau, die ihr Fahrrad schiebt. Als ich schon vorbei bin: "Fahren Sie auch nach Hameln?" "Ja..." "Ist das hier richtig nach Hameln?" "Ja, das müsste richtig sein." "Wissen Sie, ich war in Rinteln und wollte mit dem Zug zurück fahren, aber da fährt kein Zug." "Nun, dieser Weg müsste der Richtige sein, aber ich kenne mich hier auch nicht aus. Die Straße, die dort zu hören ist, führt in der Richtung (ich zeige im Dunkeln nach rechts) bestimmt nach Hameln." "Sie fahren sicher viel schneller als ich..."

Die Frau fühlte sich offensichtlich etwas verloren in der Dunkelheit. Bin ich ein Arschloch, dass ich tatsächlich viel schneller davon gefahren bin? Ich hätte sie auch die verbleibenden Kilometer (oder waren es nur noch ein paar hundert Meter?) geleiten können, bis wir auf die Straße nach Wehrbergen treffen, und auf eine viertel Stunde Fahrzeit mehr oder weniger kam es längst nicht mehr an. Hinterher... Jedenfalls war ich selbst auch erleichtert, als ich auf dem nächsten Wegweiser an einer Hauptstraße "Hameln, Wehrbergen" sah. Kurze Zeit später war das Ziel erreicht.

Die Leute, aus deren Gruppe ich mich abgesetzt hatte, standen zu dem Zeitpunkt noch unter der Dusche. Ich liess mich also von Andreas Tolksdorf, dem Initiator und Hauptorganisator der Tour zu deren erfolgreicher Absolvierung beglückwünschen. Er war selbst als einer der letzten mitgefahren, hatte aber bestimmt die meisten von uns überholt. Während ich mir in der Schulkantine ein Essen abholte, die dritte Warmverpflegung (!), erschienen Andre und die anderen nach und nach, und ich konnte erklären, wo ich abgeblieben war. Die Details sparte ich aber aus, bis jetzt. Wie ihr seht, habt ihr nicht unbedingt etwas verpasst.

Duschen sparte ich mir ebenfalls. Ich hatte keine Kleidung zu Wechseln. Auch wenn ich mit dem Zug fahren würde, hätte den Typen unter den stinkenden Klamotten abzubrausen verdammt wenig gebracht. Aber die Entscheidung, mit dem Fahrrad durchzufahren, hatte sich auf meinem Solo-Abstecher immer mehr verdichtet. Es lief einfach noch gut und zügig, wenn ich nicht verkrampft auf das Vorderrad eines Vordermannes achten musste und mein Tempo selbst wählen konnte.

Der Weg nach Hause führte zwar am Bahnhof vorbei, aber ich zögerte nicht einmal weiter zu fahren. Kurz vor Hannover zeigte der Frontscheinwerfer an, dass er in den Not-Stromsparmodus geschaltet hatte, aber die Akkus brauchte ich nicht mehr zu wechseln.

Fazit: 420 Kilometer an einem Tag geschafft. Durchschnittsgeschwindigkeit weiß ich nicht. Mein Radcomputer streikte während An- und Abreise komplett. Von der Weserrunde fehlen mir die ersten und letzten jeweils ca. 25 Kilometer. Andre sagte etwas von knapp unter 30 Stundenkilometern, aber man muss bedenken, dass wir in Fußgängerzonen Schrittempo gefahren sind bzw. geschoben haben und hin und wieder auch langsam auf der Suche nach irgendeiner Abzweigung umherirrten.

An Wehwehchen, das übliche: Die linke Hand ist etwas taub. Der Hintern hat ein paar kleinere wunde Stellen. Mit den Füßen wurde es vor Rinteln sehr, sehr unangenehm. Es mangelt mir am runden Tritt.

Die Organisation ist was die Zwischenstopps betrifft gemessen an dem, was ich bisher so über Brevets, überwiegend hier auf HFS, lesen konnte, der pure Luxus gewesen. Drei gute warme Mahlzeiten und Stationen in schönem Ambiente (die Terrasse mit Weserblick am Bootshaus Beverungen habe ich noch gar nicht erwähnt) machten diese Tour zu etwas Besonderem, Landschaft und Wetter taten ein Übriges. Ein großer Dank sei hiermit dem Veranstalter und seinen Helfern ausgesprochen.

Dank auch an die tollen Mitfahrer, die mich ab Halbzeit der Weserrunde mehr oder weniger mit durchschleppten.
Zuletzt geändert von sbach2o am 05.10.2011, 08:27, insgesamt 3-mal geändert.
sbach2o
C-Lizenz-Schreiber
Beiträge: 38
Registriert: 06.08.2007, 13:19
Wohnort: Hannover

Beitragvon sbach2o » 04.10.2011, 12:05

Janibal hat geschrieben:
Eule D1 hat geschrieben:- ich komme wieder…
dann mit den Rad von Peine aus...warmfahren.
Ich habe in einem anderen Bericht zur Weserrunde gesehen, dass sich jemand 80 Kilometer warmgefahren hat, vermutlich aus Gütersloh. (siehe http://www.radsport-verrueckte.de/?page_id=3028)
Benutzeravatar
Helmut
Admin
Beiträge: 12394
Registriert: 03.04.2006, 22:15
Wohnort: Hamburg-Tonndorf
Kontaktdaten:

Beitragvon Helmut » 08.10.2011, 05:32

sbach2o hat geschrieben:Die Organisation ist was die Zwischenstopps betrifft gemessen an dem, was ich bisher so über Brevets, überwiegend hier auf HFS, lesen konnte, der pure Luxus gewesen. Drei gute warme Mahlzeiten und Stationen in schönem Ambiente (die Terrasse mit Weserblick am Bootshaus Beverungen habe ich noch gar nicht erwähnt) machten diese Tour zu etwas Besonderem, Landschaft und Wetter taten ein Übriges.
Sollte es am 06.10.2012 die 3. Große Weserunde stattfinden, wär ich gern dabei. Weiß noch nicht, wie ich da hin und heil wieder heim kommen soll, aber das findet sich hoffentlich.
sbach2o hat geschrieben:Duschen sparte ich mir ebenfalls. Ich hatte keine Kleidung zu Wechseln. Auch wenn ich mit dem Zug fahren würde, hätte den Typen unter den stinkenden Klamotten abzubrausen verdammt wenig gebracht.
:bruellwitz:
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.
Benutzeravatar
dirksen1
Weltbeherrscher und Psychopath
Beiträge: 1401
Registriert: 09.11.2009, 12:06
Wohnort: Peine-Handorf
Kontaktdaten:

Beitragvon dirksen1 » 08.10.2011, 21:15

Die PAZ hat einen Bericht u. A. über unsere Teilnahme an der Weserrunde gebracht:
http://www.paz-online.de/Peiner-Land/PA ... ornenbusch
ES LIEGT NIE AM RAD!
Bild
Benutzeravatar
Helmut
Admin
Beiträge: 12394
Registriert: 03.04.2006, 22:15
Wohnort: Hamburg-Tonndorf
Kontaktdaten:

Beitragvon Helmut » 11.10.2011, 01:01

dirksen1 hat geschrieben:Die PAZ hat einen Bericht u. A. über unsere Teilnahme an der Weserrunde gebracht:
http://www.paz-online.de/Peiner-Land/PA ... ornenbusch
Und das auch so ähnlich in der Printversion der Peiner Allgemeinen Zeitung. Siehe

http://www.helmuts-fahrrad-seiten.de/Ra ... 0.2011.pdf
Wenn's um die Wurst geht, sollte man gut abschneiden.

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Ahrefs [Bot], Bing [Bot] und 1 Gast