<b>2. Große Weserrunde ab Hameln 2011
Mein erster 300er, Wow!!!</b>
So dachte ich beim Aufstehen um kurz nach halb 4. Halb 5 sollte die Anreise nach Hameln starten, Gast-Eule und Büttel-Bube Hermann sowie Eule Thomas standen pünktlich vor meiner Haustür, es ging los. Vor Ort empfing uns schon Organisator Andreas sowie zwei sympathische Mädels an der Anmeldung. Mit der Startkarte war es nun besiegelt: Heute würden 300 km auf dem (Rad-)Programm stehen.
Was zieh ich an, Schatz? Windweste? Blöd, muss ich dann bei den Tagestemperaturen irgendwo in das ohnehin mit Zusatz-Reserveschlauch, Riegeln, usw. überladene Trikot quetschen. Ärmlinge? Siehe Windweste.
Die Allzweckwaffe: Meine Regenjacke, die zusammengeknüllt kaum größer als ne Kinderfaust ist, wurde übergestreift, Klamottenfrage gelöst, ab aufs Rad. Um 7:15 Uhr wurde unsere Gruppe auf die Strecke geschickt.
Von Beginn an übernahmen die Eulen die Regie, basta.
Wir wollten schließlich unser Tempo fahren und uns nicht beeinflussen lassen…scheiße, haben wir dann doch. Bei einer Pinkelpause überholte uns ne Gruppe, die sich an einen Liegeradler angehängt hatte. In der Abfahrt schlossen wir auf, von da an wurde es unangenehm Hohes Tempo, wenig Streckenkenntnis, ein Garmin(?), das natürlich auf Fußgängerwegen mit sternförmigen Kreuzungen und Absperrpfosten bei Tempo 38 vollkommen überfordert ist, führten zu ständigen Verfahrern, Vollbremsungen und Überfahren einspuriger Fußgängerbrücken im Blindflug ob der noch nicht vollständig durch den Frühnebel gedrungenen Sonne und den entsprechend schlechten Sichtverhältnissen.
DAS WAR MIR ZU BLÖD UND ZU GEFÄHRLICH, SO HATTE ICH MIR MEIN ERTES „BREVET“ NICHT VORGESTELLT!!!
Ergo: Abstand halten, die Jungs fahren lassen, herrlich, wir waren wieder zu viert, das Radfahren machte wieder Spaß. So rollten wir mit Reisetempo in die aufgehende Sonne, die sich mit dem an den Berghängen festsitzenden Nebelschwaden einen visuell fantastischen Kampf um die heutige Vorherrschaft lieferte. Sie gewann überlegen,
uns zur großen Freude, denn irgendwann musste die Sinner doch mal auf „Dunkel“ schalten und die Wassertropfen als nicht wirklich sichtfördernden Belag abtrocknen. Was sich uns bei den ersten Sonnenstrahlen an Farbspielen bot, ist leider mit der Kompaktkamera nicht ansatzweise so eingefangen wie es war, aber so bleibt es in meinem Kopf als einmaliges Naturschauspiel, dem ich als Gast beiwohnen durfte…
Die ersten km spulten wir mit unserer 4-er Truppe ab. Ich begann früh mich dem Wechselreigen anzuschließen. Nur weil ich das Garmin am Lenker habe, will ich auf keinen Fall 300 km vorn fahren, könnte ich auch gar nicht. Die ersten Anstiege waren für meine frischen Beine noch kein Problem. Dass sich dies noch gravierend ändern sollte, dürfte dem aufmerksamen Leser und somit Kenner meiner sagenumwobenen Kletterkünste nicht sonderlich wundern. Aber egal, langsam und stetig ist besser als faul auf dem Sofa.
Am Bootshaus in Beverungen brutzelte ein Spanferkel wenig fröhlich vor sich hin, es war jedoch weder gar noch für uns gedacht. Schnell einen Kaffee und Wurst-Käse-Brötchen reinpfeifen, die erste Etappe war geschafft. Keine 300 mehr...
Von den Regenjacken, Windwesten, Ärmlingen usw. wurde sich nun von allen dort eintreffenden Radlern entledigt. Die Sonne war unbestrittener Sieger am Himmel. Der sich uns zwischenzeitlich angeschlossene Fahrer (Kurt?), dem es in der Liegeradler-Gruppe auch zu hektisch zuging, ergänzte unsere Gruppe. Siggi, km-Sammler, der sogar die Anreise aus Hannover am frühen Morgen per Rad erledigte (chapeau!) sowie einige namentlich unbekannte Sportler ließen unsere Gruppe nun auf stattliche ca. 12 Leute anwachsen, eine schön Größe für regelmäßige Wechsel und somit kraftsparendes km-fressen…hmmm…yammi….
Über den aus Jörgs-Solling-Tour bekannten, weil dort schon entgegengesetzt gefahrenen Hügel nach Amelith wurde es für meine Beine das erste Mal schwer, grmpf… Ich will doch jetzt noch nicht anfangen zu meckern, dachte ich so bei mir und genoss die ruhige Fahrt bergauf und die entsprechend schnelle Fahrt bergab, in der ich auf meine Mitstreiter wieder aufschließen konnte. Ich denke, sie haben meine Schwächelphase gar nicht bemerkt…
Die Tour ging weiter, der Weser (zur Abwechslung nun zur Rechten) stromabwärts folgend. Unsere Gruppe harmonierte, meine Beine wurden schwerer, Hermann zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen, Thomas genau so wenig. Ich griff zur Trikot-Tasche. Ein Gel sollte mir helfen, tat es auch. Herrlich, wenn die Kraft wieder in die Beine zurückkehrt. Erneut beim Bootshaus angekommen, war das Spanferkel immer noch nicht fertig, ok, Käsebrötchen und literweise Apfelschorle sollten es richten, den Flüssigkeitshaushalt auszugleichen (ein ausgeglichener Haushalt, nicht überall möglich…). Weiter radeln, radeln >>ffwd>> >play> (hatten wir schon, fand ich aber gut).
Von der Labestation mit den leckeren Radieschen ging es nun in die Ottensteiner Hochebene, ein langer (es war zwar gemäß Track der „falsche“, aber die Weserrunde hat keine Streckenvorgaben abseits der Kontrollpunkte) und im Schnitt 6-8% steiler Anstieg kurbelte uns über ungezählte Kehren auf die Hochebene, wo mich die grandiose Aussicht erst fast vom Rad fallen ließ, dann die Streckenabsprache mit Siggi, die die Schwächen einer briefmarkengroßen Topo-Karte aufzeigte, aber am Ende doch nach einer grandiosen Abfahrt die richtige Links-Abzweigung anzeigte, die uns wieder „auf Kurs“ brachte.
Dann kam er dann doch, mein Scharfrichter, der Typ, der meinen Beine jede noch so kleine Kraftanstrengung versagte: Der ewig lange, nicht sehr steile, aber stetige „Anstieg“ nach Aerzen und weiter Rtg. Weserfähre, der schon beim Weserbergland so manche Gruppen gesprengt und mich zum Single-Slower werden ließ, so auch heute. Es ging nichts, wirklich gar nichts mehr. Mit minus 3 km/h waberte ich die Straße entlang, meine Gruppe verschwand am Horizont und verschwamm vor meinen Augen. Was nun?
Ich hatte einfach keinen Bock mehr, mein Arsch tat weh, meine Beine taten nicht das, was sie sollen, Durst, Hunger, aber dann: Ein Klackergeräusch am Fahrrad. Endlich hatte ich den Grund dafür, warum ich nicht mehr konnte, die Technik. Super, so hatten Marian und ich uns wenigstens was zu erzählen, während ich in gefühlten 6 Stunden 10 km zurücklegte…
Rinteln! Rinteln! Dort gibt es Verpflegung. Rinteln! Es war soweit. Rinteln! Ab sofort meine Lieblingsstadt, ich werde einen Einreiseantrag stellen. Auf dem dortigen Weinfest wurden alle Speicher wieder gefüllt, Fritz-Kola musste her. Rein mit dem Zucker,
Mehr davon und noch eine ins Bidon umgefüllt für den „Schluss-Sprint“ nach Hameln und ein solcher war es auch. Sämtliche „Kürzer“- oder auch „Wir müssen rechts“-Schreie halfen nichts, alle wollten so schnell es ging nach Hameln. So spurteten wir sowohl abseits des Weserradweges als auch der Straßenverkehrsordnung mit selten unter 40 km/h Richtung Süden, ich lutschte an vorletzter Stelle irgendwie mit.
Auch dieses Nahtod-Erlebnis ging zu Ende, die Schnellstraße spuckte 6 lebensmüde Radsportler mit roten Funzeln am Heck unversehrt wieder aus, die letzten Meter durch Peine wurden zu einem Wettgrinsen und am Startort wieder angekommen, war es ein Gefühl wie nach einem guten Joint. Nicht müde, aber platt, glücklich, nach innen lächelnd und mit dem trügerischen Gefühl bepackt, man könnte die Welt beherrschen, muss es aber nicht. Geil.
Was lernt man bei einem 300er oder bzw. was habe ich gelernt bei meinem ersten 300er? Dass
- - die Ernährung das A und O ist
- das Mille-Sitzpolster eines Schweizer Radklamotten-Herstellers bei einem übergewichtigen Radsportler nach 300 km auch nichts mehr ausrichten kann bzgl. der Sitzqualität
- die Verdauung 12 Std. nach der Tour durchaus wieder normal zu funktionieren scheint
- man sich durchaus während der Veranstaltung ein paar Mal fragen darf, ob das denn unbedingt sein muss und was man für die Wochen danach nun alles absagen wird
- man aber all dies im Ziel sehr schnell vergisst und sich einfach nur freut und es genießt, eine persönliche Grenze überschritten und sie so ein kleines Stückchen höher gelegt zu haben
Ich komme wieder…
Und hier von die Bilder von mir.