Tja, was soll ich schreiben? Ich probier mal 3 Versionen.
Version 1 - (wieder) nüchtern betrachtet
Es waren 248 km, die ich in einer reinen Fahrzeit nach Garmin in 09:12 h abgespult habe. Dabei habe ich knapp 2.700 Hm zurückgelegt und bin einen Schnitt von ganz leicht über 27 km/h gefahren und hatte dabei genau Null Plattfüße.
OK, Version 1 interessiert keine Sau, und Bier kommt auch nicht drin vor…
Version 2 - (noch) leicht angesäuselt, aber irgendwie zwischen den Welten
Ich (ja, ICH) bin tatsächlich eins der sog. Monumente des Radsports gefahren, musste dabei keinen einzigen der 32 Hellinge absteigen und bin den Cauberg am Ende sogar grinsend hochgefahren.
OK, Version 2 ist auch nicht sonderlich spektakulär, es kommt immer noch kein Bier drin vor und ist irgendwie genau so fad wie manches selbiges…
Version 3 - noch Dopamin-, Endorphin-, Serotonin- und Adrenalin-geschwängert
Es war so geil, dass ich am liebsten nächstes Wochenende sofort wieder losfahren würde. Nach der Anreise am Freitag
und dem (fast) kompletten Treffen an der Transponderausgabe fanden sich „wir Amstels“ schließlich in einer der unzähligen Kneipen in Valkenburg zu einem Teller Radlergemüse (den Menschen, die bei dem Wort „Vorbau“ an das weibliche Geschlecht denken, sei‘s hier übersetzt: Nudeln!).
Den Abend im Hotel ließen wir in der dortigen Bar bei einem Klosterbräu (Abtei-Bier genannt, sehr lecker) ausklingen, um dann in unseren Kemenaten zu verschwinden. Wer geschlafen hat, soll sich melden und mir verraten, wie er das ohne pharmazeutische Hilfsmittel zustande gebracht hat, denn neben der Aufregung ob des kommenden Tages waren so ca. zehn voneinander klar zu differenzierende Geräuschen in dem Hotel zu vernehmen, wobei das „Schloss-Canterville“-artige Geknarze des Holzfußbodens noch den geringsten Störeinfluss hatte.
Aber egal, um halb Fünf klingelte der Wecker, ich war ohnehin hellwach und schlurfte zur Rezeption, wo mein Frühstückspaket auf mich wartete. Feine Sache, eins der 3 Gummibrötchen (trotzdem sehr lecker) baute ich auseinander und pappte mein mitgebrachtes Nutella drauf, um meinen Schoko-Haushalt regulatorisch auf einem angenehmen Level zu halten.
Im Schlepptau des Commanders fuhren dann in der Dunkelheit des noch schlafenden Tages 5 Autos mit ebenso vielen Fahrrädern Rtg. Valkenburg, die Temperatur hatte sich mittlerweile von 3 auf immerhin 6°C erhöht. „Was soll ich bloß anziehen“, war mein beherrschender Gedanke. Auf dem Parkplatz dann schnelle Entscheidung, das HFS-Trikot blieb im Auto (sorry Helmut, mir war es dafür zu kalt). Die Langfingerhandschuhe sollte ich die erste Rennstunde vermissen, danach waren die kurzen Non-Fingerlinge die richtige Wahl.
Am Start gab es fantastisch leckere Rosinenbrötchen und allerlei Energie-Chemie, meine Trikot- und Oberrohr-Taschen waren jedoch prallgefüllt und so machten wir uns kurz nach halb 7 auf die bevorstehenden 250 km. Es rollte gut los, das einsetzende Tageslicht führte zu weiterer extrinsischer Motivation und so fuhren wir recht zügig auf den ersten km noch in der Gruppe bis auf Uwe, der nach gefühlten 20 m bereits auf über 45 km/h war und den wir erst wieder sahen, als er uns überholte („Hä?“ fragt sich der Leser? Überholt?). Er war irgendwo falsch abgebogen und durfte so einige km zusätzlich fahren, umso mehr ein Zeichen für seine Tempoarbeit, dass er uns auf der Strecke quasi im Handstreich kassierte. Als nächstes setzte sich Schnuffi nach vorn ab, Manfred und Johanna blieben leicht zurück, als die ersten Hügel den eigenen Rhythmus verlangten. Jens, Condal und ich waren irgendwie auf dem gleichen Level unterwegs, ich fühlte mich dem Tempo der beiden gewachsen und so sollte ich bis ca. km 230 mit ihnen gemeinsam fahren.
Johanna sahen wir noch kurz an der ersten von insgesamt 4 Kontrollen. Nach Verputzen der Rosinenbrötchen und einigem Iso-Kram ging es dann zügig weiter.
Auf der Strecke gab es schließlich genau das, was das Radlerherz begehrt und was das sog. Salz in der Radsportsuppe ausmacht: Steigungen, mal kurz (wenige 100 m), mal lang (bis zu 4 km), aber immer steil (in Spitzen bis zu 22%!). Und das ist es ja schlussendlich auch, was das Amstel ausmacht: die Hellinge.
Und die Hellinge können zaubern, ich vermute, dass es Bäuche von Riesen sind, denen bei der Brusthaar-Rasur die Klinge brach und so eine kleine Schneise übrig blieb. Denn mit rationalen Argumenten kann es sicher niemand erklären, warum Straßen schnurstracks gerade den Hügel hinauf gebaut werden, anstatt etwas radlerfreundlich in angenehmen 3%-Serpentinen um den Knubbel umzu. Nein, die Wegstrecke ging (ok, bis auf einen) jedes Mal (gefühlt) stumpf gegen die Wand. Rechtzeitiges Schalten war überlebenswichtig, so viele Kettenklemmer und abfallende Antriebsmechaniken habe ich selten gesehen oder gehört. Dem Sportler, der am Keutenberg vor meiner Nase mit einem Ganzkörperkrampf wie ein Stein umfiel, weil er den oberen Totpunkt seiner Kurbelumdrehung nicht überwinden konnte, wünsche ich hier, dass es ihm mittlerweile wieder gut geht.
Nun, ihr habt ihn gelesen, den Namen des Anstiegs, vor dem ich seit Wochen in Ehrfurcht erstarre, in Demut mich beuge, in Vorangst (wenn man das Antonym zu Vorfreude so nennen kann) mir fast in die Hosen gemacht hatte. Den Keutenberg also, kurz nachdem ich wegen einer unausweichlichen Trinkpause Condal und Jens nicht mehr einholen konnte (weil mich das wohl zu viel der letzten zweieinhalb Körner hätte gekostet), kam er. Rechts über eine hohe Hecke gepeilt, sah es aus, als würde ein Bild mit Radlern an der Wand hängen, so unheilschwanger steil ist dieser Anstieg Nummer 30 (?). Meine ungläubige Frage an einen Mitradler „ist das der Keutenberg?“, wurde von ihm mit einer „sich-die-Kehle-durchschneiden“-Geste mehr als international eindeutig beantwortet.
Also in der leichten Rechtskurve schon mal den Rettungsring meiner Kurbel (das zweite und letzte Mal heute *selbst auf die Schulter klopf*) aufgelegt, die Trittfrequenz über die letzten 50 m vor dem Knick in den Himmel auf 120 hochgepumpt und ab ging’s. Ich trete rein, der Adonis von mir (siehe oben) fällt um, ich eiere einen Schlenker um ihn rum und verringere so ganz kurz die Steigung von 22% auf gefühlte 19%, geht doch, dachte ich und blieb in den Pedalen, obwohl mind. 50% der Fahrer um mich rum artig ihren Draht-, Alu- oder auch Carbonesel den Berg hinaufschoben. Langsam, aber stetig schraubte ich mich nach oben, kurz vorm „Top Klimt“ stand meine Kadenz bei ca. 30, mein Puls wahrscheinlich bei 200, aber ich habe es geschafft und mehr war nicht mehr wichtig.
In der darauffolgenden Abfahrt konnte ich in einer schnellen Gruppe die Beine hochlegen und obwohl ich kurz noch das HFS-Hemd von Condal sah, habe ich mehr aufschließen können, aber ich surfte ohnehin auf einer Welle aus den o. g. hormonellen Ergüssen, dass nun nichts, aber auch wirklich gar nichts meine Begeisterung noch hätte negativ beeinflussen können.
Den Cauberg im Ziel fuhr ich lächelnd hoch, grüßte beim Zielfoto meine Freundin, die den Tag über im Netz die Fahrt von „uns Amstels“ am Livestream und den nach und nach veröffentlichten Zeiten verfolgte.
Im Ziel gab es dann ein Bier.
PS: Die übrigen 30 Hellinge waren nicht minder anstrengend, nicht minder spannend und sind mindestens genau so erwähnenswert, wie die letzten beiden, aber wer will schon 30-mal dasselbe lesen.
PPS: Mehr Bilder zu machen, hatte ich unterwegs entweder in Schnappatmungs-Position (Gruß an Michael) vergessen oder aber wegen der ständigen Schlaglöcher und 90°+ Kurven nicht machen können, ohne vom Rad zu fallen.
Hier noch der Link zum Album, das deshalb mehr Bilder vom „Drumrum“ enthält, aber auch das war „Amstel“ für mich:
https://picasaweb.google.com/1100109047 ... directlink