die Diskussion über das Fahren im Verband bei Radtourenfahrten möchte ich hiermit mutmaßlich in Helmuts Sinne von der konkreten Veranstaltung (hier: Elbe-Classic am 10.04.2016) lösen.
Aktueller Auslöser ist ein Video, das Szenen der og. RTF zeigt:
https://www.youtube.com/watch?v=7Z5HyhgRL8U
Wie so oft gibt es verschiedene Betrachtungsweisen auf das Thema. So berichtete mir der Veranstalter, dass es zuvor schon Diskussionen über das "Gebolze" bei RTFs gab, welches von vielen Teilnehmern als abschreckend angesehen werde.Peer hat geschrieben:Ich will hier keinen Streit und sehe das ziemlich sachlich... das nur vorausgeschickt.Das Biest hat geschrieben:Sorry, aber eine RTF ist KEIN Rennen. Und eine saubere 2er Reihe sieht deutlich anders aus. Nur wegen sowas, bekommt man immer Ärger mit den Behörden und somit wir alle, eine RTF noch genehmigt zu bekommen
Die Regeln einer RTF sind da vom BDR eigentlich ziemlich simpel:
1. StVO einhalten (das man sich und andere nicht gefährdet spielt da rein)
2. Jeder fährt die vorgegebene ausgeschilderte Strecke in seinem Tempo
bis hierhin also alles klar und einfach.
Jetzt kommt aber der springende Punkt: Fahren mehr als 15 Fahrer in einer Gruppe, gelten sie als geschlossener Verband und unterliegen § 27 der StVO.
Der Verband wird damit als "ein Fahrzeug" gesehen, Radfahrer sind z.T. von der Nutzungspflicht der Radwege befreit etc... und jetzt ein wichtiger Satz:
(1) ... Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.
sie dürfen.. müssen aber nicht. Während man sich bei z.B. einer 10er Gruppe nicht aussuchen darf, ob man nebeneinander fährt, ist es im Verband nicht festgeschrieben.
Also bitte nicht verwechseln mit oft gesehenen "Regeln bei der Trainingsausfahrt mit Radgruppen", die viele Vereine auf ihren Seiten stehen haben...
Wenn nämlich jeder in seinem Tempo fährt, kann man nicht gleichzeitig verlangen, dass 2er paare vorne 10 min. fahren und dann nach Hinten durchwechseln.
Insbesondere wird es dann noch spannend wenn innerhalb des Verbandes überholt wird.. dazu hab ich z.B. nichts in der StVO gefunden und dann kommt es ja bei einer RTF häufig vor, dass ein Verband den anderen überholt... und sich Verbände auch auflösen.. vergrößern, verkleinern...
Je mehr Dynamik also in einer Gruppe ist, desto "wilder" mag es aussehen. Deswegen muss es aber noch kein Verstoß gegen die StVO sein.. ganz im Gegenteil.
Autofahrer werden häufig eh nicht darum herumkommen die StVO bei einem Überholmanöver zu missachten, weil Gruppen die größer als 20 Fahrer sind oft eine beachtliche Länge aufweisen.
Insofern denke ich, dass man hier wie überall mit gesundem Menschenverstand und viel Rücksicht zu allen Verkehrsteilnehmern rangehen sollte. Auch macht hier der Ton oft die Musik.
Ein kurzer "Daumen nach oben", wenn Autos auf schmalen Strassen zur Seite fahren... ein freundliches Nicken wenn Hundehalter ihre kleinen Tierchen zu sich heranziehen... das kann viel mehr bewirken, als uniformes Fahren.
lg
Peer
Ich setze aber mal zunächst die Brille des Juristen auf. Es ist tatsächlich so, dass das Fahren im Geschlossenen Verband nach § 27 StVO insbesondere für Radfahrer nicht vollkommen "durchgeregelt" wurde. Zum Verständnis ist es sicher gut zu wissen, dass der Verordnungsgeber bei geschlossenen Verbänden insbesondere an Fahrzeugkololonnen oder andere Gruppierungen (z.B. Fackelumzüge) gedacht hat, die aufgrund ihrer Länge und Geschwindigkeit (gemeint: Langsamkeit) ein Verkehrshindernis für andere Verkehrsteilnehmer darstellen können. Aus diesem Grund fehlt es zum Beispiel an einer Regelung, ob sich verschiedene geschlossene Verbände gegenseitig überholen dürfen. Hieraus kann man zwar ableiten, dass - da nirgends ausdrücklich verboten - Verbände sich gegenseitig überholen dürfen, andererseits hat ein gegenseitiges Überholen von Verbänden nichts mit der "Idee" zu tun, die hinter dieser Vorschrift steckt. Insofern dürfte hier eine rechtliche Unsicherheit bestehen, ob sich Verbände gegenseitig überholen dürfen oder nicht. Jedenfalls hatte der Verordnungsgeber diese Konstellation erkennbar nicht im Blick.
Die StVO setzt in § 27 Abs. 5 übrigens voraus, dass es einen "Führer" des Verbands gibt. Diese Vorgabe dürfte regelmäßig bei RTFs missachtet werden - zumindest bei heterogenen Gruppen aus verschieden starken Einzelfahrern.
Ein geschlossener Verband muss als solcher nach außen erkennbar sein. Bei Radfahrern soll sich dies aus der gemeinsamen Fahrt ergeben. Wenn verschiedene Verbände sich "mischen", könnte das Merkmal Erkennbarkeit ggf. entfallen.
So lange man sich über solche Fragen trefflich mit anderen (vor allem der Polizei oder sonstigen Ordnungsbehörden) streiten kann, sollte man aus meiner Sicht nicht zu offensiv auf das Verbandsrecht pochen.
Die im Video gezeigten Bilder (z.B. bei 1:15 min) können tatsächlich für den Veranstalter einer RTF "gefährlich" werden, nämlich dann, wenn die Genehmigungsbehörde das gezeigte Verhalten als nicht vom Verbandsrecht umfasst und verkehrsgefährdend einschätzt. Dies kann insbesondere bei Szenen, in denen die gesamte Fahrbahnbreite genutzt wird und mehr als zwei Radfahrer nebeneinander fahren ohne dass erkennbar ist, dass ein Verband einen anderen überholt, der Fall sein.
Die Grenzen mögen da fliessend verlaufen, aber ich denke, man könnte zumindest beim Überholen andere auf eine gleichmäßige Fahrweise achten, damit eben nicht der Eindruck entsteht, dass ein wildes Rennen im Gange ist.
Und damit setze ich die Juristen-Brille mal wieder ab. Es hilft nämlich kaum weiter, wenn man juristisch unterschiedlicher Meinung sein kann, aber Außenstehende (andere Verkehrsteilnehmer, Anwohner etc.) anhand der "wilden" Fahrweise von einem (ungenehmigten) Rennen ausgehen und sich an die Ordnungsbehörden wenden. Dann hat es der Veranstalter wieder sehr schwer, die Genehmigungsbehörde davon zu überzeugen, weiterhin RTFs zu genehmigen.
Das mag nicht immer dazu führen, dass Veranstaltungen nicht genehmigt werden, führt aber manchmal zu aus Sicht des Sportlers absurden Auflagen. Und mit diesem Thema plagen sich die Veranstalter in der Metropolregion Hamburg seit Jahren...
Viele Grüße
Arne