Moin,
für mich war es die erste Teilnahme an den Cyclassics, und trotz schwerem Start alles in allem eine runde Sache.
Am Samstag holte ich meine Startunterlagen am Gänsemarkt ab: wie erwartet hatte ich den letzten Startblock „I“ des 55 km-Rennens erwischt, was auch meiner zu erwartenden Leistung entsprach. Am Abend stand noch ein Pasta-Essen bei einem nahegelegenen Italiener auf dem Programm, danach ging es zurück in’s Hotel, wo alles für den nächsten Morgen vorbereitet wurde. Gegen 22:00 Uhr war dann schließlich Nachtruhe angesagt, nicht ohne vorher noch einen Blick auf den Wetterbericht zu werfen. Nachdem der Deutsche Wetterdienst tagelange für Sonntagmorgen „kräftige Regenschauer“ vorhergesagt hatte stand nun erstmals „bedeckt“ in der Vorhersage – eine wettertechnische Wiederholung des Velothon-Rennens vom Mai in Berlin war also zum Glück nicht zu erwarten.
Um 06:00 Uhr versuchte der Wecker uns aus dem Schlaf zu holen, was in meinem Fall alleine deswegen zum Scheitern verurteilt war, weil ich bereits vorher wach geworden war. Das Hotel hatte extra für die Cyclassics den Start des Frühstücksbuffets um eine Stunde auf 06:00 Uhr vorverlegt, so daß sich dort um kurz vor sieben mehrere Cyclisten versammelten. Gegen 07:40 Uhr fuhren wir schließlich zum Start der 55 km-Strecke. Am Hauptbahnhof rauschten uns die bereits gestarteten Teilnehmer der langen Runden entgegen (erfreulicherweise auf der Gegenfahrbahn und nicht auf unserer
, was schon einmal eine schöne Einstimmung auf das Rennen bildete. Überhaupt wirkte die Gegend rund um den Hauptbahnhof so, als wäre die Elbmetropole zu autofreien Stadt erklärt worden.
Ziemlich pünktlich gegen 07:50 Uhr trafen wir bei meinem Startblock I ein. Nachdem meine Frau ein paar obligatorische Vorher-Fotos angefertigt hatte kühlte Mensch sich so langsam dem Start entgegen: Beinlinge wären unter der 2/3-Hose vielleicht doch keine schlechte Idee gewesen – wieder was für’s Jedermann-Rennen No. 3 gelernt... Kurz vor dem Start meines Blocks wurden dann noch von einem Ordner die Bremsen meines Fahrrads geprüft, weswegen ich annehme, daß sein Bild von Tourenrad–Fahrern bei Jedermann-Rennen nicht das Beste ist - möglicherweise aufgrund entsprechender Erfahrungen.
Beim Start kam es zwei Reihen vor mir zum einzigen (überdies selbstverschuldeten) Sturz, den ich während des Rennens beobachten konnte, der aber anscheinend erfreulicherweise keine ernsten Folgen hatte.
Das Rennen selbst war für mich im ersten Drittel eine einzige Qual. Zum einen sicherlich wegen der unzureichenden, gerade einmal dreiwöchigen Vorbereitung und des (natürlich: Gegen-)Windes, der meinen Vorwärtsdrang angesichts meiner ziemlich aufrechten Sitzposition doch recht herbe verlangsamte. Zum anderen schien mein Biorhythmus genau dort zu sein, wo er an einem Sonntagmorgen kurz nach 08:00 Uhr vernünftigerweise zu sein pflegt: irgendwo im Keller... Last, but not least wäre es rückblickend vielleicht sinnvoll gewesen, vor dem Erreichen des Startblocks einen kleinen Aufwärmschlenker zu fahren – das werde ich bei nächster Gelegenheit bei vergleichbaren Temperaturen auf jeden Fall mal ausprobieren.
Auf der langen Geraden Richtung Pinneberg meinte ich den Beserwagen schon an mein Hinterrad klopfen zu hören, doch konnte ich mich kurz nach Verlassen des Hamburger Stadtgebiets an eine nicht besonders schnell, dafür aber wunderbar konstant fahrende Radlerin anhängen. Zum ersten Mal spürte ich in meinem zweiten Jedermann-Rennen die Wirkung des Windschattens. Nach relativ kurzer Zeit hängte ich mich an einen anderen Radler, der uns mit moderater Geschwindigkeit überholt hatte, und ließ mich wieder für drei Kilometer ziehen, wodurch ich meinen anfänglichen Durchhänger langsam überwinden konnte.
Spätestens ab Holm ging es dann deutlich besser, nach und nach konnte ich einige Mitfahrer überholen und auch selbst anderen Fahrern Windschatten geben (das klappte aufgrund meiner Sitzhaltung immer besonders gut
), und dennoch schien mir das Erreichen der geforderten Mindest-Durchschnittsgewindigkeit aufgrund des langsamen ersten Rennviertels eigentlich unmöglich, zumal mit dem Kösterberg ja auch noch ein Tempoblocker wartete.
Am Ende lief es am Kösterberg für meine bescheidenen Verhältnisse ausgesprochen gut, ein Absteigen vom Rad war nie ein Thema, und danach ging es im Wechsel mit einer Handvoll anderer Mitstreiter zügig gen Mönkebergstraße. Der Zieleinlauf war wirklich bewegend, immerhin war ich nicht gerade Teil der Spitzengruppe, und dennoch haben die Zuschauer auch uns Freizeitfahrer am Ende des 55 km-Feldes frenetisch bejubelt und angefeuert. Einfach knorke, wie Mensch in Berlin zu sagen pflegt(e)!
Mit einem Durchschnitt von 25,5 km/h bin ich dann tatsächlich noch gerade so im Limit geblieben.
Vor dem Rathaus haben wir an der angegebenen Stelle noch kurz geschaut, ob andere HFS’ler zu sehen sind, was aber nicht der Fall war – entweder waren wir zu früh dort oder haben den falschen Ort erwischt...
Alles in allem war das Rennen für mich ein sehr extremes Erlebnis: Nach der Erfahrung, schon kurz nach Beginn fast stehend k.o. zu sein, dann die Rettung durch den Windschatten und die gleichmäßige Fahrt einiger Mitstreiter, gefolgt vom schönen Gefühl zunehmend wiederkehrender Kraft und Ausdauer bis zum phänomenalem Finish in der Mönkebergstraße war es ein Wechselbad der Gefühle. Ganz sicher werde ich mir nach diesem zweiten Jedermann-Rennen demnächst ein Rennrad oder Speedbike zulegen, um nicht weiter wie eine Schrankwand im (Fahrt-)Wind zu stehen, und ebenfalls ganz sicher werde ich beim nächsten RTF oder Jedermann-Rennen besser vorbereitet starten.
Für nächstes Jahr habe ich mir die 100 km-Strecke vorgenommen – nach meiner ersten Köhlbrandbrücken-Querung per Rad im Mai 1991 (damals im Rahmen einer Fahrrad-Sternfahrt o.ä., so genau weiß ich das nicht mehr) wäre es schön, sie fast genau ein Vierteljahrhundert später noch einmal auf zwei Rädern zu überqueren.
SloMo