Protokoll des Scheiterns</b>
<b>Vorfeld</b>
Ich hatte im Vorfeld schon mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Seit den 24 Stunden von Nortorf bin ich die dort aufgetretenen Knieprobleme und einen Schmerz unterhalb des Sprunggelenks nicht vollständig wieder los geworden. Zudem galt es, rechtzeitig vor dem Start eine Dornwarze unter meinem linken Fuß wieder los zu werden. Und da ich regelmäßig mit ziemlichen Sitzbeschwerden zu kämpfen habe, war also ein Teil meines Rucksacks schon mit einer Reiseapotheke belegt: Pferdesalbe gegen die Gelenkprobleme und Sterilium und Melkfett zur Pflege der Sitzfläche. Außerdem hatte ich geplant, alle 250-270 km die Hose zu wechseln, um den Sitzproblemen aus dem Weg zu gehen.
Nun ja, zumindest die technische Abnahme am Sonntag bereitete keine Probleme.
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<b>1. Teilstück: Osterdorf-Wertingen (83 km)</b>
Mit Rumm-Tata und Blasmusik verabschiedete Osterdorf uns am Montag um 10.00 Uhr auf die 1.279 km lange Strecke.
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Ich hatte den Zielpunkt für den Track falsch angegeben und mein Garmin wollte mich ständig wieder zurück schicken. Aber das war hier ja noch kein Problem. Der Track selbst war gut erkennbar und es waren noch genügend Teilnehmer um mich herum, so dass immer klar war, wo es lang ging.
Der Wetterbericht und auch der Blick zum Himmel hatten einen schönen und sonnigen, also auch viel zu heißen Tag


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Aber das erste Teilstück war kurz, Angelboot bereits wieder am Aufbrechen und auch ich ließ nur kurz stempeln, füllte die Flaschen auf und schmierte die Sitzfläche. Nachdem ich auch noch meinen Track korrigiert hatte, ging es dann auf das
<b>2. Teilstück: Wertingen-Illertal Ost (87 km)</b>
Keine besonderen Vorkommnisse.


Kurz vor Erreichen der Raststätte Illertal Ost kam mir dann wieder Angelboot entgegen, der schon gestempelt hatte. Obwohl die Kunstraststätte hübsch anzusehen ist, ist der verlangte Kunstzuschlag doch schon erheblich. Mit 3,65 € für die 1,5 L Mineralwasserflasche war hier die teuerste Neubefüllung meiner Trinkflaschen fällig.
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Bei diesem Preisniveau hielt ich mich, nach der Sitzflächen- und Gelenkpflege, auch nicht weiter auf, sondern machte mich auf das
<b>3. Teilstück: Illertal Ost – Roßhaupten (105 km)</b>
Es ging wieder durch schöne, aber einsame Gegenden.
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So ganz allmählich hätte ich mir eine Versorgungsmöglichkeit in Form eines Supermarktes oder wenigstens einer Tankstelle mit angeschlossenem Shop gewünscht. Stattdessen gab es aber nur abseits gelegene Bauernhöfe und grasende Kühe. Und da es allmählich auf die erste Nacht zuging, machte ich mir Gedanken, wie ich denn meine Versorgung mit Wasser und Futter sicherstellen wollte, wenn all die rechtschaffenden Bayern erst einmal zu Bett gegangen waren.

All diese ketzerischen Gedanken zwangen mich dazu, meinen sorgsam auf 5 kg eingewogenen Rucksack mit 2 kg Extragewicht zu belasten, als ich endlich einen Tankstellen-Shop erreichte.

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Dann fiel der Vorhang und es ging im Dunkel weiter. Mir sollte es recht sein, denn eigentlich liebe ich die Nachtfahrten, zumal die Nacht dieses Mal auch sehr angenehme Temperaturen bescherte. Kurz vor 22.00 Uhr erreichte ich Roßhaupten. Angelboot, der gerade sein Mahl beendet hatte und aufbrechen wollte, empfahl die Bolognese. Da auch ein genaues Studium der Speisekarte keine Schweinepfoten, Schweineohren oder wenigstens ein original englisches Frühstück mit Speck und Spiegeleiern zu Tage förderte, folgte ich seinem Ratschlag.

Die anschließende Pflegeeinheit dehnte ich wegen der Verfügbarkeit eines Separees (Toilette)

<b>4. Teilstück: Roßhaupten – Spitzingsee (168 km)</b>
in Angriff nahm. Mittlerweile war es ja Stockdunkel. Ich folgte nur noch dem Track, allerdings wusste ich auch, dass mit Murnau eine etwas größere Stadt zu durchqueren war und hoffte auf eine Tankstelle, an der ich wenigstens Mettwürstchen oder Frikadellchen kaufen konnte, falls es später keine Versorgungsmöglichkeit mehr geben sollte. Aber leider gab es auch in Murnau nichts.
Danach ging es Richtung Kochel. Diese Gegend kannte ich aus einem viele Jahre zurückliegenden Aufenthalt und ich bedauerte sehr, dass ich hier wegen der Dunkelheit keine Fotos machen konnte.

Da es einige Möglichkeiten gab, Richtung Bad Tölz abzukürzen, wunderte ich mich ein wenig, dass auf der Brevetkarte nicht wenigstens eine Kontrollfrage gestellt war, die man nur am Walchensee hätte beantworten können. Denn es ist zwar richtig, dass diejenigen, die auf einem solchen Brevet abkürzen, eigentlich nur sich selbst betrügen – allerdings habe ich mir sagen lassen, dass es auch Menschen gibt, die den Selbstbetrug zu ihrem primären Ziel erklärt haben.
Na ja, als ich dann irgendwann die Lichter des Walchenseekraftwerkes sah, ließ ich auch meinen Navi aus den Augen und fuhr einfach darauf zu – nur um festzustellen, dass der Track doch anders verlief. Also noch einmal zurück und auf Umwegen auf Kochel zu. Ich habe es trotz der Dunkelheit genossen, irgendwie sah ich die Landschaft vor meinem geistigen Auge. Der Aufstieg zum Walchensee fiel mir wesentlich leichter, als ich es erwartet hatte, lediglich die Umrundung des Sees ließ mich wiederum bedauern, dass mir wegen der Dunkelheit viele schöne Motive entgingen.

Die Nacht war mittlerweile weit fortgeschritten, mir wurde zwar nicht müde, aber kalt. Also legte ich an einer Bushaltestelle einen kleinen Zwischenstopp ein und zog so ziemlich alle Klamotten, die ich im Rucksack mitgenommen hatte, an. So wurde wenigstens der Rucksack leichter

In Bad Tölz gab es an der einzigen offenen Tanke noch einen Zwischenstopp mit Kaffee und Dehnübungen usw. Überhaupt war wohl das einzige Problem, dass ich nicht hatte, die Müdigkeit – ansonsten tat alles weh. Jedenfalls hatte ich keinen Bedarf an dem angebotenen Schlafplatz in der Waschhalle, und da auch der Morgen graute, fuhr ich weiter zum Tegernsee, um den Anstieg zum Spitzingsee anzugehen.
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Vor dem Anstieg legte ich noch einige Klamotten ab, da ich erwartete, dass mir im Anstieg ziemlich warm werden würde. Allerdings waren die Temperaturen eher dazu geeignet, mich trotz der Anstrengungen frösteln zu lassen, es wurde doch nicht so schnell wärmer, wie ich erwartet hatte. Dazu kamen leichte Orientierungsschwierigkeiten, weshalb ich einige Male anhalten musste.
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Dennoch erreichte ich um 7:48 Uhr die Albert-Spitzing-Hütte. Wie ich später erfahren sollte, genau die Zeit, an der der Schnellste an der nächsten Kontrollstelle in Waging, 124 km weiter, stempelte.
Nach einem kurzen Frühstück und der üblichen Pflegeeinheit ging es weiter auf das
<b>5. Teilstück Spitzingsee – Waging am See (124 km)</b>
Kurz nach der Vorbeifahrt am Spitzingsee ging es über den Spitzingsattel direkt in eine rasante Abfahrt. Die Beine haben es gedankt


Nach der anschliessenden Abfahrt führte uns der Weg dann zu unseren österreichischen Nachbarn, auch daran erkennbar, dass auf meinem Garmin keine Karte mehr erkennbar war.


<b>6. Teilstück Waging am See - Wörth an der Isar (127 km)</b>
wieder auf. Die Route führte uns über knackige Anstiege, teilweise auf einem erneuten Abstecher nach Österreich.
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Nach Burghausen geht es allerdings entlang einer größeren Straße ein längeres Stück flach geradeaus. Hier fühle ich mich richtig zu Hause, mache mich auf dem Rad flach und finde auch eine schöne, schmerzfreie Fahrposition. Vor Einbruch der Nacht machte ich einen kurzen Stopp an einem Supermarkt, beschwerte wieder meinen Rucksack mit einer Flasche Wasser und einer Packung Mini-Frikadellen. An der Kasse verabschiedete mich die Kassiererin dann mit den Worten "Schönen Feiertag". Ups - Feiertag, das war in meiner Planung eigentlich nicht vorgesehen. Aber wir sind in Bayern, da wird auch Mariä Himmelfahrt gebührend begangen.
Es wurde Nacht, die Temperaturen wurden wieder angenehmer - überhaupt muss ich gestehen, dass mir die Fahrerei nachts mehr Spass gemacht hat. Vielleicht auch, weil dann niemand mein Elend sehen konnte.


Ich hielt auch während des Teilstücks an so manchem Buswartehäuschen und pflegte Sitzfläche und Gelenke. Kurz vor 1 Uhr nachts erreichte ich die BAB-Raststätte in Wörth. Warmes Essen gab es um diese Zeit nicht mehr, also machte ich mich nach einer Tasse Kaffee auf zum benachbarten McD. Aber auch dessen Türen waren verschlossen und ich zog weiter zur Aral-Tanke. Dort gab es wenigstens noch eine Bockwurst und nach einer weiteren Tasse Kaffee und einer ausgiebigen Pflegeeinheit begab ich mich auf das
<b>7. Teilstück Wörth an der Isar - Wilmering (109 km)</b>
Zu meiner Freude ging es erst einmal flach weiter. Hatte ich bisher angenommen, dass ein häufiger Wechsel von Sitz- und Stehposition das Sitzfleisch entlastet, musste ich mich hier eines Besseren belehren lassen. Während das Aufstehen und das wieder Hinsetzen schmerzten, konnte ich bei konstanter Belastung immer eine relativ wenig schmerzende Position finden. Bei einer Ortsdurchfahrt meinte ich in einem EC-Hotel Angelboots Rad zu erkennen. Ich fühlte mich jedoch kein bisschen müde. Aber die Müdigkeit war auch das einzige Problem, dass ich nicht hatte.

Tatsächlich schloss Angelboot kurz vor dem Überqueren der Donau zu mir auf. Auch er hatte seit Waging Sitzbeschwerden. Auf der Donaubrücke hielt er an, weil er nachschmieren wollte, womit er seine Kette meinte, während ich weiterfuhr und Ausschau nach einem geeigneten Buswartehäuschen hielt, um etwas anderes nachzuschmieren.

Das Gelände nahm wieder die gewohnten Formen, Berge um der Bergfahrt willen, an. Etwas Veränderung gab es allerdings noch vor Schluß dieses Teilstücks: Kam man bisher oben an, um die investierten Kräfte in einer kurzen Abfahrt zu vergeuden

<b>8. Teilstück Wilmering - Vohenstrauß (69 km)</b>
auf. Ich fuhr einfach ein wesentlich gemässigteres Tempo, insbesondere an den Steigungen wollte ich nicht überzocken, schätze ich mich doch als eher bergschwach ein. Ein Blick in das Roadbook zeigte, dass mir dieses Stück der Beschreibung fehlte. Aber ich fuhr ja sowieso nach dem GPS-Track, so dass das eigentlich kein Problem darstellen sollte. Allerdings gab es an einer Stelle einen Straßenneubau, so dass der Track nicht so, wie gezeichnet, abgefahren werden konnte. Auch Angelboot wusste an dieser Stelle nicht so ohne Weiteres, wie es weiter ging und hatte deshalb auf den nächsten vorbeikommenden Teilnehmer gewartet, um zu sehen, ob dieser einen anderen Track oder eine passende Beschreibung hätte. Hatte ich aber auch nicht, und so umfuhren wird die Stelle mit Hilfe der auf den Garmins installierten Karten.
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In der Anfahrt nach Vohenstrauß gab es dann noch ein paar schöne Anstiege, so dass ich die angebotenen Duschen gerne nutzte. Außerdem wechselte ich hier wieder die Hose und, entgegen meiner ursprünglichen Planung, legte ich mich wieder hin. Wieder einmal weniger wegen der Müdigkeit, als vielmehr um den hohen Temperaturen (die jetzt am Nachmittag weit über 30° lagen) zu entgehen. Dementsprechend musste der auf 1 1/2 Stunden "eingestellte" Weckdienst nicht tätig werden, da ich bereits nach einer Stunde wieder wach wurde und mich auf das
<b>9. Teilstück Vohenstrauß - Kulmain</b>
begab. Da ich sehr gut in der Zeit lag, hatte ich beschlossen, ab jetzt konsequent alle 30 km anzuhalten, um die Sitzfläche und Gelenke zu schmieren und mich zu dehnen. Allerdings musste ich schnell feststellen, dass meine Sitzbeschwerden rapide zunahmen. Da es vorerst ein ziemlich heftiges Geländeprofil gab, brauchte ich nicht im Sitzen treten, aber auch das Aufstehen und wieder Hinsetzen waren eine Qual.
Nachdem ich mich wieder eine unendliche Steigung hinaufgequält hatte, war es dann Zeit für die nächste Pflegeeinheit. Allerdings wurde mir schon beim Desinfizieren fast schwarz vor Augen: Es hatte sich eine neue offene Stelle gebildet, die so ungünstig saß, dass ein Treten während des Sitzens nicht mehr möglich war. Da stand ich nun mit meinem Talent: Ich hatte genug Zeit für ausgiebige Pausen, konnte aber nur noch im Stehen treten. Das wäre für 100-150 km zwar eine Option gewesen, ich hatte aber noch gut 360 km vor mir. Und den Gelenken, Füßen und der Achillesferse ging es ja sooo blendend auch nicht mehr.
Ich hatte einmal irgendwo gelesen, dass man in solch einem Fall mit dem Einlegen eines rohen Schnitzels noch weiter kommen soll. Das wäre tatsächlich etwas gewesen, was ich in dieser Situation ausprobiert hätte - wäre es nicht Feiertag gewesen und somit alle Fleischereien geschlossen. So aber riss ich mich zusammen und fällte die Entscheidung, die ich nicht fällen wollte: Ich gab auf und fuhr zum nächsten Bahnhof!
Ich hatte im Vorfeld grosse Bedenken wegen des Schlafentzugs gehabt, und jetzt zeigte sich, dass die Müdigkeit das einzige Problem war, dass ich nicht hatte. Tja, ich muss es wohl akzeptieren, dass entweder mein Baby-Popo nicht in der Lage ist, einen extralangen Brevet durchzustehen, oder das mir einfach die nötige mentale Härte fehlt, um mit den unausweichlich auftretenden Schmerzen fertig zu werden.