Vattenfall Cyclassic - Bericht vom 100 Km-Rennen

Andi
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Vattenfall Cyclassic - Bericht vom 100 Km-Rennen

Beitragvon Andi » 24.08.2007, 17:04

Im Gegensatz zum letzten Jahr sind wir diesmal schlauer und reisen mit der Bahn an. Mein Rad muss ich soweit zerlegen, weil ich es in einer Radtasche transportiere. So kann ich es aber mit in das Zugabteil nehmen, wo ich es einfach an die Garderobe hänge und es weiter keinen stört. Und die beste Ehefrau von allen hat wieder einmal mehr ein wahres Verpackungswunder vollbracht und unsere restlichen Sachen in einen Trolli und eine kleine Tasche bekommen.

Unser Quartier haben wir etwas außerhalb gewählt. Und zwar in einer Jugendherberge bei den Landungsbrücken. Die Herberge ist auch sehr schön gelegen. Man hat einen tollen Ausblick auf den Hafen und auf die Obdachlosen die sich in der näheren Umgebung der Herberge recht heimisch fühlen. Das war eigentlich das einzige Manko. Es liegt täglich soviel zerbrochenes Glas herum, dass man bequem einmal die Woche einen Container kommen lassen könnte. Und mit meiner Wasserflasche, die ich immer mit mir rumtrage, falle ich gegen die Bierflaschenhalter richtig auf. Ist schon eine lustige Sache so eine Herberge: Etagenbett, geregelte Malzeiten, lärmende Kinder und alles was sonst noch dazu gehört. Wir sind schon Freitags gegen Mittag angekommen und nachdem wir eingecheckt haben sofort in die Stadt gefahren. Mit uns wohnen auch zwei Kollegen von unserem Ü40er-Team hier.

Nachdem wir uns ein wenig in der Stadt umgesehen haben, treffen wir uns mit meinen beiden Kollegen bei der Akkreditierung um unsere Startunterlagen abzuholen. Den Abend waren wir in dem Bistro der Herberge, was auch sehr schön war. Am Samstag haben wir einen schönen Tag in der Stadt verbracht. Nachdem wir nach einer ziemlich schlaflosen Nacht (von wegen ab 22.00Uhr „Nachtruhe“) dann doch noch zu uns gekommen sind. Nachts war es dann mit der Ruhe wie am Vortag, aber irgendwie hat der Schlaf dann doch gereicht.

So, es ist dann doch noch Sonntag geworden. Renntag!! Für die Teilnehmer gibt es heute extra um 6:30 Uhr Frühstück. Das fällt ein wenig spartanisch aus, denn mit voller Plauze ist schlecht treten. Nachdem ich bei einem meiner Ü40er Kollegen noch Hand anlegen muss (Rückennummer an den Rennanzug), er noch auf die „Schnelle“ den Transponder zu befestigen hat und in Ermangelung eines Kabelbinders unseren gesamten Zeitplan an den Rande eines Supergau bringt, kann es dann endlich losgehen.

Allerdings erst mal zur S-Bahn. Von dort aus sind wir dann auch schnell am Jungfernstieg und begeben uns zu unseren Startblöcken. Da ich nun endlich ein wenig Ruhe finde, gehe ich mit meiner Frau erst mal einen Kaffee trinken. Man(n) sitzt hier richtig gut. Das ganze Treiben und die Hektik zieht an einem vorbei. Das lustige bei der Sache ist, dass ich schon wie bei meinen letzten Rennen eigentlich gar keine Lust verspüre zu fahren. Ich würde am liebsten hier sitzen bleiben und einfach nur gucken.
Nutzt aber nichts, ab in den Startblock, irgendwo werd ich die Lust schon finden. Ich bin in meinem Block ziemlich weit hinten. Das macht aber nichts, weil vorne stehen die, welche sich schon die Schuhplatten zur Hälfte runtergescharrt haben.

Bis zum Start ist noch mindestens ½ Stunde Zeit und ich kann mich in aller Ruhe warm machen. Um 9:58 Uhr geht’s dann los. Zuerst recht gemächlich bis zur Zeitnehmermatte, da ist dann aber Schluss mit lustig. Ich merke sofort, dass ich ein paar Blöcke weiter vorne bin wie letztes Jahr, denn hier muss man sofort richtig mitgehen oder man fällt zurück. Ich habe aber trotzdem genügend Zeit mir auch die Gegend ein wenig anzuschauen. Weiter vorne zu fahren bedeutet aber auch mehr Konzentration, denn es gibt viel mehr kniffelige Situationen als im letzten Jahr. Ich bin dann auch recht flott unterwegs und nach ca. 30 Kilometern überhole ich die ersten (letzten) Fahrer, die aus dem Block vor mir gestartet sind.

Ich habe natürlich auch Glück und es ergibt sich, dass wir mit mehreren gleich starken Fahrern eine ordentliche Gruppe bilden können. Ab Kilometer 40 fahre ich wieder ohne Gruppe, kann mich aber ab und zu mal an andere dranhängen. Seit ca. 8 Minuten fahre ich bei stetigem Gegenwind vorne und habe eine Gruppe vor mir im Blickfeld und eine andere im Schlepptau. Da vorne die, da will ich hin! Aber alleine an die Gruppe ran zu fahren wird zu schwer. Ich schaue nach hinten, fahre dann links raus in dem Glauben der hinter mir fährt vor. Aber auch nur gedacht. Er klemmt sich wieder hinter mich. Wieder ein Stück nach links, er geht mit. Das birgt doch Stoff für eine Diskussion. Ich frage ihn, „Sag mal Kollege, willst Du nicht auch mal nach vorne“. Antwort: Ne lass mal, ist so angenehm im Windschatten und außerdem habe er ja ein Mountainbike. Ich sage ihm, das befreit aber nicht von der Führungsarbeit und ich möchte auch gerne mal wissen wie es im Windschatten ist. Dank meiner verbalen Überzeugungskraft kann ich ihn dann doch noch animieren die Führungsarbeit zu übernehmen. Der Rest der Gruppe hat richtig Spaß. Und auf einmal kann er. Ratz Fatz sind wir an der vor uns fahrenden Gruppe dran. Siehste Kollege, geht doch, bedanke ich mich bei ihm.

Dann nach ca. 50 Km der erste Sturz den ich sehe. Auf gerader Strecke ohne großes Gedränge verhaken sich zwei Fahrer und messen auf einer Fläche von ca. 12 qm die Strasse aus. Es verläuft aber zum Glück für die beiden ohne größere Blessuren ab und andere haben sie auch nicht gefährdet.

An der Verpflegungsstelle bin ich vorbei gefahren; da ist mir das Gedränge zu groß. Ich bin wirklich gut in der Zeit, und achte auch auf meinen Puls. Nicht, dass es mir wie im letzten Jahr geht und ich kurz vor dem Ziel Krämpfe bekomme. Für die nächsten Kilometer kann ich mit anderen wieder eine Gruppe bilden und es geht zügig voran. Es ist nicht mehr weit bis zur Köhlbrandhochbrücke und ich bin wieder alleine unterwegs. Mich beschleicht das Gefühl, dass in diesem Jahr sehr viele unterwegs sind, die nicht so richtig abschätzen können was es heißt 100 km mit Renntempo zu fahren. Es sind immer mehr Fahrer die ein Sicherheitsrisiko für die anderen werden. Entweder eiern sie vor einem auf der Strasse rum oder fahren in extrem langsamen Tempo nebeneinander her, quatschen und ich muss extrem aufpassen, dass so einer mir nicht ins Rad fährt.

Auf der Auffahrt zur Brücke wird auf einmal alles langsamer. Ich merke, dass ich mir meine Kraft gut eingeteilt habe und fahre zügig auf die Brücke. Hier kann ich noch etliche überholen. Oben sind einige mit ihrem Laktathaushalt (Krämpfe) beschäftigt. Ich nicht!! Von der Brücke runter, und durch das Hafengelände bin ich dann in einer Gruppe von mindestens 80 Leuten unterwegs. Da die Strecke jetzt flach und gerade ist fahren wir ein hohes Tempo. Die linke Fahrspur ist von der Rechten durch Barken getrennt. Nach einiger Zeit kommen uns auf der Gegenseite die Profis entgegen die uns freundlich zunicken. Die fahren sich wahrscheinlich ein.

Mit einigen von denen war ich am Vorabend auf St.Pauli, und wir haben so richtig die Kuh fliegen lassen. War ein Witz. Um nochmals auf die erwähnten Barken zu kommen. Die haben stabile Hartplastikfüße und die Fläche oben ist aus Kunststoff. Ich erwähne das, weil wir immer noch auf dieser langen Strasse unterwegs sind. Wir fahren zum Teil mit einer Geschwindigkeit von ca. 45km/h. Es wird langsam ein wenig eng. Einer zieht von rechts rüber und ich muss noch weiter nach links. Ich lobe ihn recht artig dafür, aber das bekommt er gar nicht mit. Mir wird das langsam zu brenzlig hier und ich orientiere mich weiter nach rechts von den Barken weg.

Hinter mir hat einer eine bessere Idee und fährt noch weiter nach links. Und dann stellen sich bei mir alle Haare. Ich höre nur noch einen Schrei der gar nicht aufhört und Geräusche die ich hier nicht weiter beschreiben möchte. Mein erster Reflex ist bremsen, umdrehen und helfen. Aber das verursacht dann wahrscheinlich den nächsten Unfall. Also fahre ich weiter und mache mir so meine Gedanken. Dann, nur noch einen Kilometer vom Ziel entfernt, werden wir von den Ordnern alle angehalten. Große Verwirrung. Keiner weis was los ist. Einige wollen mit ihren Rädern über den Bürgersteig weiterfahren. Nach ca. 3 Minuten geht es weiter. Jetzt ist natürlich die Luft raus. Das ist jetzt nur noch ein lockeres nach Hause fahren. Später bekomme ich mit: Das Feld wurde wegen der Zielankunft der 155 km Fahrer angehalten (wegen der Unfallgefahr). Nach der Flugeinlage eben von dem Fahrer ist das verständlich.

Dann bin ich im Ziel und habe die beste Ehefrau von allen nirgends sehen können. Ich gebe meinen Transponder ab hole mir was zu Trinken und rufe meine Frau an. Die hat mich nicht durch das Ziel fahren sehen und mich auch noch gar nicht erwartet. Sie freut sich aber trotzdem das ich heil wieder da bin. Wir schauen uns noch die Zieleinläufe der anderen Fahrer an, und fahren dann später in die Herberge. Abends sind wir mit Bekannten verabredet die auf der 155Km-Strecke waren. Die sagen aber erst einmal ab, weil einer von ihnen auch einen Unfall hatte. Ich finde das in diesem Jahr mehr und schwerere Unfälle passiert sind. Später melden sie sich dann, und wir verbringen einen sehr schönen Abend zusammen. Am nächsten Tag sitzen wir mittags wieder im Zug und sind auf dem Heimweg.

Fazit: War für mich ausgesprochen gut. Auf der 100Km-Strecke eine Zeit von 2:43:27 und einen Schnitt von 36.52 km/h. Damit bin ich 16 Minuten besser als im Vorjahr. Vom Gefühl her möchte ich 2008 nicht in Hamburg starten. Vielleicht mal woanders, Dresden oder in Leipzig. Mal sehen was im nächsten Jahr ist.
Mitglied im Ü40er Team.
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Beitragvon harald_legner » 24.08.2007, 19:16

Danke für den ausführlichen Bericht.
Als Hamburger "muss" ich ein wenig belustigt anmerken: Wer 100km Cyclassics fahren möchte, sollte nicht unbedingt zur "Anreise" die 2 Stationen von den Landungsbrücken zum Jungfernstieg mit der S-Bahn fahren. ;-) Wärt ihr mit dem Rad gefahren, wärt ihr bestimmt auch schneller gewesen und hättet euch das Rumgeschleppe der Räder durch die Tunnel gespart. Nur so als kleiner Tipp für das nächste Mal. :-)
[hl]
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Beitragvon thomas-hh » 25.08.2007, 12:18

Schöner Bericht - mit leicht ironischem Touch. Bei der Schilderung des Unfalls wurde mir ganz anders.
Gruß
Thomas

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