Aggressive Autofahrerin verurteilt!

stolk
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Aggressive Autofahrerin verurteilt!

Beitragvon stolk » 08.02.2013, 13:50

500 Euro Schmerzensgeld muss die 25 Jahre alte Autofahrerin an das Opfer zahlen und zudem 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten (beim ADFC!!).

http://www.mobil.abendblatt.de/hamburg/ ... t-weg.html
Le Rouleur
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Schnuffi
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Beitragvon Schnuffi » 08.02.2013, 13:56

100 Stunden Radfahren in der Stadt würden vielleicht mehr zur Einsicht beitragen.
Ich glaube aber nicht, dass dies im "Strafenkatalog" vorgesehen ist.
:wink:
Wenn Du schneller fährst brauchst Du Dich nicht so lange anzustrengen :mrgreen:
Bagdad-Biker

Beitragvon Bagdad-Biker » 08.02.2013, 16:41

Aus meiner Sicht ein völlig unverständliches Urteil. Die Radfahrerin gibt zu, rechts überholt zu haben (warum wird sie diesbezüglich nicht belangt???), von daher wäre ich geneigt, der Darstellung der Autofahrerin zumindest ansatzweise Glauben zu schenken.

Dass beide Seiten eine stark abweichende Sicht der Dinge haben, liegt natürlich auf der Hand. Die Wahrheit findet sich vermutlich, wie so oft, in der Mitte.

Letztlich steht Aussage gegen Aussage. Jemanden zu verurteilen weil er schon einmal auffällig war und allein gestützt auf die Vermutung, dass er offenbar manchmal etwas impulsiv sei, find ich etwas vorschnell. Denn ein Schuldbeweis ist das noch lange nicht.

Man stelle sich die Situation einmal andersherum vor. Angenommen die Schülerin wäre in der Vergangenheit ein paar mal mit Drogen erwischt worden. Hätte die Autofahrerin automatisch mit einem Freispruch zu rechnen gehabt, nur weil der Richter hätte annehmen müssen, die Radfahrerin hätte unter Drogeneinfluss gestanden???
stolk
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Beitragvon stolk » 08.02.2013, 16:50

§5 StVO

(8) Ist ausreichender Raum vorhanden, dürfen Radfahrer und Mofa-Fahrer Fahrzeuge, die auf dem rechten Fahrstreifen warten, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht rechts überholen.

Nun, Aussage gegen Aussage ist das eine - aber der Richter hat da schon ganz richtig entschieden. Die Tendenzen und vorherige Vergehen sprachen gegen die Angeklagte.

Und sieh es mal so: Wenn dem Richter eine Bewertung verwehrt bleibt und nur die "Aussagen" zählen, dann dürften sämtliche 1-gegen-1 Prozesse platzen
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Ketsch
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Beitragvon Ketsch » 09.02.2013, 12:59

Ich habe bisher immer gedacht, dass das Rechtsüberholen nur an Ampeln gilt, von daher hätte ich Bagdad-Biker zugestimmt.

Nachdem ich aber den §5 mir durchgelesen habe, bei dem explizit von "wartenden Fahrzeugen" die Rede ist, und in diesem Fall die Autofahrerin bei einem Verkehrshindernis warten musste, würde ich fast sagen, dass der Radfahrerin kein Vorwurf zu machen ist.

ABER wie es genau abgelaufen ist, wissen wir nicht. Gab es überhaupt ein Hindernis? Rollte das Auto noch, dann würde es für mich kein warten sein, oder stand es? Ich möchte kein Richter sein, denn gerade bei grundverschiedenen Aussagen ist es nicht einfach die Wahrheit herauszufinden und Recht zu sprechen.
Bagdad-Biker

Beitragvon Bagdad-Biker » 10.02.2013, 16:57

stolk hat geschrieben:§5 StVO...
Ausreichend Raum ist hier das ausschlaggebende Wort. Da von einem Verkehrshinderniss gesprochen wird, würde ich davon ausgehen, dass die Verkehrssituation zumindest sehr unübersichtlich war.
stolk hat geschrieben:Nun, Aussage gegen Aussage ist das eine - aber der Richter hat da schon ganz richtig entschieden. Die Tendenzen und vorherige Vergehen sprachen gegen die Angeklagte.
Einmal Sünder-immer Sünder? Na dann hoffe ich, Du hast zur Schulzeit nie dem Lehrer die Kreide oder den Tafelschwamm gemoppst! Ansonsten müsste ja jeder Richter fortan in Dir einen potenziellen Straftäter sehen. Sicherlich völliger Unsinn! Vorherige Vergehen sind also ebensowenig ein Schuldbeweis wie irgendwelche Tendenzen.
Ketsch hat geschrieben:ABER wie es genau abgelaufen ist, wissen wir nicht.
Völlig richtig. Gerade deshalb finde ich es falsch, hier jetzt den Artikel mehr oder minder schadenfroh den bösen Autofahrern eins ausgewischt zu haben, zu verlinken.
Ketsch hat geschrieben:Ich möchte kein Richter sein, denn gerade bei grundverschiedenen Aussagen ist es nicht einfach die Wahrheit herauszufinden und Recht zu sprechen.
Ebenfalls richtig. Sicherlich für den Richter nicht ganz einfach. Im Zweifel aber für den Angeklagten. Ein Richter sollte objektiv urteilen und sich nicht einzig und allein auf Vermutungen und persönliche Eindrücke stützen. Ansonsten wären wir dicht an willkürlicher Bestrafung.

Im Übrigen finde ich den Verweis auf die Tätowierung der Autofahrerin völlig überflüssig. Da wird vom Abendblatt aber mal ganz fleißig mit der Klischeekeule zugeschlagen. Dieses Niveau hätte ich eher von der Bild erwartet.
sonja1
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Beitragvon sonja1 » 12.02.2013, 14:06

Ich würde gerne ein, zwei Dinge aus fachlicher Sicht klarstellen:

1. Die Erfahrung zeigt, dass die Darstellung von Gerichtsprozessen in der Presse immer sehr stark verkürzt ist. Die Feinheiten von Aussagen und Beweisen können dabei selten rübergebracht werden, so dass eine Bewertung des Falles für Außenstehende in der Regel nicht möglich ist.

2. Ein Richter darf nur dann verurteilen, wenn er von der Schuld des Angeklagen überzeugt ist. Ist das nicht der Fall, muß er ihn freisprechen (in dubio pro reo). Man kann also davon ausgehen, dass hier noch einiges mehr vorgelegt wurde als die paar in der Presse zitierten Aussagen, das den Richter zu der Überzeugung (!) gebracht hat, dass die Autofahrerin Schuld ist.

3. Wenn die Radfahrerin zu Unrecht rechts überholt haben sollte, kann sie hierfür ein Bußgeld bekommen haben. Die Strafe des einen Verkehrsteilnehmers ist nämlich unabhängig von der Strafe des anderen. Ob das so ist, wird in Zeitungsartikel jedoch selten mitgeteilt.
Sonja - die radelnde Anwältin

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Harterbrocken
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Beitragvon Harterbrocken » 12.02.2013, 23:25

Hallo Sonja,

vielen Dank für die Info. Schade, dass offenbar nicht alle Einzelheiten dieses Falls offen gelegt wurden. Mich interessiert, was die Verurteilte nun beim ADFC ableisten muss. Ihre Erfahrungen und Verhalten dort dürften von Interesse sein. Wird die Ableistung der gemeinnützigen Arbeit vom Gericht überprüft? Oder wie läuft so etwas?
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Beitragvon sonja1 » 13.02.2013, 10:50

Harterbrocken hat geschrieben:Wird die Ableistung der gemeinnützigen Arbeit vom Gericht überprüft? Oder wie läuft so etwas?
Ja, Bewährungsstrafe heißt, daß die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Wenn sich der Verurteilte bewährt, wird die Strafe erlassen. Dafür wird immer ein Bewährungszeitraum von 2-5 Jahren festgesetzt. Zusätzlich können dem Verurteilten Auflagen erteilt werden, hier: Arbeitsauflagen.

In diesem Fall bedeutet das, daß die Autofahrerin die Geldstrafe nicht zahlen muß, wenn sie sich innerhalb der Bewährungszeit bewährt hat (also keine vergleichbaren Straftaten begangen hat) und die Auflagen erfüllt hat. Das Gericht überprüft also, ob die Arbeitsauflage erfüllt wurde, da sonst kein Straferlaß ausgesprochen werden kann.

Ich hoffe, ich konnte die Frage beantworten. Wenn nicht, bitte nachfragen.
Sonja - die radelnde Anwältin

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