Eine Hochzeitseinladung aus dem Bekanntenkreis hat mich nach Neustadt/Weinstraße verschlagen. So etwas kann man schlecht ablehnen. Noch vor der Abreise hab ich auf einer Karte gesehen, dass der Kalmit-Stoppomat nur 15 Kilometer von unserem Hotel entfernt liegt. Also, zack, das Rennrad rein in den Kombi. Dabei aber höllisch aufpassen, dass der edel Fummel meiner Liebsten nicht mit Öl in Berührung kommt. Eine Kleid-Kette-Kollision hätte fatalste Folgen. Alles geht gut. Glück gehabt.
Die Hochzeit dauert von Samstag 13 Uhr bis 3 Uhr am Sonntag morgen. Die erhoffte Lücke im Trauungszeitplan tut sich nun leider doch nicht auf. Macht nichts. Wird der zweithöchste Berg des Pfälzer Waldes halt Sonntagvormittag erlegt.
Um acht schwinge ich mich mit etwas Riesling-Restalkohol in der Birne in den Sattel. Auch schon mal fitter gestartet, denke ich so bei mir und radle Richtung Maikammer etwas südlich von Weinstadt, äh Neustadt meine ich natürlich. Schon in dem idyllischem Weinort steigt die Strasse spürbar an. Die Muskeln kommen auf Temperatur. Überall wird hier für Weinfeste geworben, für Weinproben und für Weinkellerbesichtungen. Und von großen Werbewänden grüssen leckere Weinköniginnen. Nur Wahlplakate von F.D.P.-Önologen Rainer Brüderle sehe ich (noch) nicht. Ist ja noch ein wenig hin zur Bundestagswahl.
Mein Stimmzettel hat Postkartenformat und rattert im Stoppomat-Schlitz. Los get's. Die Strasse steigt stetig, ohne nennenswerte Schwangungen in ihren Steigungsgraden. Man kann sich also gut eingrooven, wenn man denn niedrige Gänge für einen flüssigen Runden Tritt hat. Oder genug Kraft. Ich habe heute beides nicht. Trotzdem erkämpfe ich mir Höhenmeter um Höhenmeter. Grüne Tafeln mit gelben Ziffern erinnern mich daran, dass es nach oben geht: 300, 400, 500 okay, das Zielhäuschen soll auf etwa 650 liegen. Also nochmal beißen und Wiegetritt.
Kalmit Höhenprofil
Die schmale Strasse schlängelt sich malerisch durch den Wald. Es gibt nur zwei Serpentinen: nach drei und nach sechs Kilometern. Schade, denn eine Haarnadel bedeutet je eigentlich immer ein kurzes Stück Erholung. Hier geht es aber immer kräftig bergan. Nur im letzten Drittel flachen etwa 200 Meter kurz ab, bevor die Strasse wieder auf rund acht Steigungsprozente anzieht.
Die letzten Meter
Plötzlich sehe ich einen Abzweig vor mir. Ab nach links, da geht es auf den Gipfel, da steht das Häuschen mit der Stempelanlage. Leider wird auf dem letzten Stück die Strassenoberfläche schlecht. Aber dann sehe ich es, das gelbe Häuschen. Nochmal ein kurzer Bergspurt. Dann habe ich den Zielstempel. Irgendwas knapp unter 28 Minuten. Ein Platz im Mittelfeld. Für die heutigen Bedingungen bin ich zufrieden. Ausgeschlafen und ohne Hochzeit in den Knochen dürfte ich zirka zwei Minuten wegschleifen können. Ich werde wieder kommen an den Kalmit. Das steht fest. Denn nicht nur der Stoppomat ist die Reise Wert, sondern die ganze Gegend. Sie ist ideal zum Rennrad- und MTB-Fahren und erinnert mich stellenweise an Mallorca: gutes Wetter, guter Wein, gute Strecke, in Flächen, wie im Gebirge. Und auch die Pfälzer Gastgeber wirken ausgesprochen freundlich und angenehm. Als Trainingslager also eigentlich ein idealer Standort.
Blick nach Osten auf Maikammer
