Die Sportografin macht schmutzige Bilder von mir.
<b>P-Weg Marathon MTB 2011
Man muss den gemacht haben</b>
Es war einmal ein Paar im besten alter, das lebte in NBL (Niemand bekanntes Land, nördlich der A1 zwischen Bremen und Hamburg), dort wo Bergankünfte auf Autobahnbrücken liegen und Bergsprints schräg den Deich hochgehen. Uwe ist ambitionierter Radrennfahrer mit leichter Orientierungsschwäche, fährt bei Zeitfahren schon mal die Schleife doppelt. Sie wird gerne Hallutrinelle 70.3 genannt, weil sie schwerelos wirkt und gerne halbe Sachen beim Triathlon macht. Ich kenne die beiden und habe sie zur Anmeldung für den P-Weg Marathon damals eingeladen. Bis dahin haben beide an vielen Veranstaltungen teilgenommen. Ihr erster und einziger MTB Marathon war bis zum P-Weg eine Konkurrenzveranstaltung im Schwarzwald, da wo der Name hart ist und die Strecke weich. Die Anmeldung hat geklappt, genauso wie die Anreise und so sitzen wir am Samstag bei 25°C im Zielbereich bei Pizza und Getränken.
Neben uns kommen die Läufer und Walker der 67 km Strecke rein, mit einen Lächeln im Gesicht. Das geht mir auch immer wieder so, die Glückstränen sind auf der letzten Abfahrt getrocknet und das Herz lacht.
Siegerehrung Damen 67 km Ultramarathon (ohne Rad)
Ich werde morgen zum 6. Mal an dem MTB Marathon teilnehmen. Hier gilt, der Vorname ist verdient und wo MTB drauf steht, ist auch MTB drinnen. Uwe und seiner Hallutrinelle 70.3 verrate ich die Schlüsselstellen und ganz wichtig, auf der großen Runde kannst du ruhig mal absteigen, es ist eh nicht alles fahrbar. Als Schlüsselstelle gebe ich die Bachdurchfahrt und den anschließenden Anstieg nach der Teerstraße an, die Abfahrten im Wasserlauf, zwischen Steinen und alles mit Schlamm kombiniert. Natürlich der Anstieg zur Spinne und die letzte Abfahrt, die noch mal unterbrochen wird, um dann einspurig zu werden.
Nachdem wir auf die Pizza noch etwas Pasta gegen den größten Hunger nachgelegt haben, verlassen wir den Ort der Festlichkeit und beziehen Quartier im Nachbarort. Nach einer ruhigen Nacht und bestem Frühstück fahren wir der Sonne entgegen.
Wir bekommen noch einen Parkplatz in der Nähe der Feuerwehrwache, da wo die Duschen sind. An die denke ich auch, nachdem ich mich kurz Richtung Oestertalsperre warm gefahren habe. Und ganz früh geselle ich mit in den ersten Startblock. Ich sehe
- bekannte Gesichter, z. B. Monika, die in Soltau Probleme mit Absperrungen hatte.
- bekannte Trikots, z. B. Paris-Brest-Paris 2011,
- Bekannte, z. B. den Markus (Grunzi) aus double u upper Vally, Anwerter auf die Gewichtsklassenwertung, und
- bekannte Laute, holländisch, belgisch und den Moderator, gestern noch heiser auf der Läuferbühne, heute immer ein Schnack drauf, z. B. über das Wetter, was sich ändern wird.
Die Sportografin ist auch schon wieder unterwegs, bei ihr lächele ich schon beim Start. Ganz sauber und ehrlich. Kurz noch eine Vorführung der örtlichen Tanzgruppe und: Fehlstart. Noch mal eine Minute. Jetzt geht’s los, das Führungsfahrzeug hebt die Neutralisation schon nach der ersten Kurve, oder 10 m, auf und kommt innerorts locker auf über 60 Stukies. Den Grund sehe ich nach dem ersten Anstieg auf dem mittleren Kettenblatt bei der Kuh. Ich sag nur, wie kommst du denn hier her! Schon zweifel ich an der Einzigartigkeit der mir bekannten Halluzinelle, sehe aber, dass die Sportografin mit dem Führungsfahrzeug nach oben geflogen ist und hier wieder fleißig schwitzende Kerle auf ihren CCD brennt. Damen natürlich auch.
(ich habe keine Kamera mitgenommen, sonder immer schön beide Hände am Lenker gelassen, so erstmal keine Bilder)
Ich bin fast alleine, so kenn ich das hier nicht, da ich sonst immer von hinten gestartet bin. Zu lasch für die Spitzengruppe und doch etwas zu stark für die Genießer. So beiße ich mich auch den zweiten Anstieg auf Kette Mitte hoch. Oben die erste Verpflegung. Mit Schildern um den Hals und vielen motivierenden Worten. Oben auf dem Kamm ziehen in der Ferne die ersten dunklen Wolken auf, ist ja angesagt. Noch scheint die Sonne und jede Pfütze wird umfahren. Alles sauber bis nach der ersten Schleife. Den Streckenposten frage ich, ob der nette Bach noch ordentlich Schlamm auf dem Weg produziert. Alles wie gehabt und vorbei ist es mit weißer Weste. Die Zuschauer im Tal sollen sehen, das ist MTB fahren, das ist keine Vorstandssitzung in einer Bank, das ist echt.
Im Tal bin ich immer noch alleine, die im Altenheim freuen sich. Uwe hat hier gefragt: Ist das ein Altenheim? Yoop, Anträge gibt’s da vorne… Heute alleine in Schwimmbad, keine Sabine, keine Konny ist bei mir, viel zu schnell muss ich wieder raus. Ich hätte auch eine Tageskarte genommen. Endlich laufen ein paar Fahrer zu mir auf, bis zum nächsten Anstieg wechseln wir im Wind, belgischer Kreisel mit Joan De Kinder (St#11). Am Anstieg ziehen sie weiter, andere Gewichtsklasse… Dann die Bachdurchfahrt, Uwe ist am anderen Ufer auf Kette rechts und muss ein wenig drücken… und vor der Hauptstraße Zeitnahme mit Ansage, Top 50, Sie haben ihr Ziel erreicht, jetzt nur noch halten. Jetzt der Anstieg, der damals noch eine Herausforderung war, heute fehlt der Wald, der die Steine schön rutschig gehalten hat, so geht es mit Kette links nach oben. Neue Streckenführung. Und:
Streckenteilung. Hier sage ich, alles richtig gemacht. Die Langstrecke windet sich stetig auf Kieseln dem Kamm entgegen, die Sprintstrecke biegt links ab in den dunklen Wald, Brocken versperren den Hohlweg… und ich darf noch 60 km.
Oh nerv, Flaschenhalter lose, anhalten geht gar nicht, es herrscht Abfahrt. In der nächsten Verpflegung halte ich an, meine aber Flaschenhalter festschrauben ist was für Flaschen. Es kommt eh bald die Schiebepassage und da mache ich das dann. Ohne Besinnung steige ich oben wieder auf und fahre weiter, der Halter klappert immer noch, der Feldrandweg wird jedes Jahr steiler, die Abfahrt im Schlamm läuft besser, der Rest zwischen den Weisen wie immer nicht, ich fädel ein und muss anhalten, zu viel Stacheldraht in meiner Nähe. Am Stausee geht nicht mehr viel und der Himmel beginnt über mein Elend zu weinen. Auf der Anhöhe vor der Spinne schraube ich meinen Flaschenhalter fest, daran soll es nicht scheitern, ich muss zur Spinn, habe ich doch versprochen.
Jetzt auch mal Kette ganz weit links, der Regen kühlt ganz gut, macht aber nicht sauber. Eigentlich kann ich so nicht zur Spinne hochfahren, dieses mal wird mich keiner mögen, es kommt sogar noch schlimmer, sie kreischen und schallen: „Jan, wir wollen dich siegen sehen, siegen sehen“ durch den Wald. Ich schaff es nicht mal mehr zu erklären, das ich gerade mit mehreren inneren Schweinehunden kämpfe und nur durch die Anfeuerungen der innere Sieg greifbar wird. Ich nehme eine Drink und verabschiede mich mit: „ Bis gleich“.
Nach Schlamm, Regen und einen asphaltieren Stück kehre ich zurück zur Spinne, es geht mir wieder besser. Ich halte noch mal an und schreibe ein paar selbst mitgebrachte Autogrammkarten, für Christiane, Lena und all die „Spinner“ von der Spinne. Ich werde euch immer lieben. Nebenbei frage ich, ob die Hallutrinelle70.3 auf der andern Seite schon durch ist. Später erzählt sie mir, hier oben wäre auch ganz viele Schweinehunde hinter ihr hergewesen und nach 10min Pause hätten sie andere Opfer angegriffen und sie wäre weiter nachdem sie Grüße von mir erhalten hätte.
Jetzt kommt eine Abfahrt mit anschließendem rechtsabbiegen gegen eine Wand. Hier nehme ich immer raus könnte ich jetzt sagen, aber ich bin platt. Langsam, ganz langsam kurbel ich nach oben, bis mich Uwe aus meinen Träumen der gemütlichen Restfahrt reißt. Einerseits bin ich froh, das er sich bis jetzt nicht verfahren hat, anderseits ist er Rookie und hat die erste der Damen im Schlepptau. Eigentlich sollte ich mit denen das Ziel in 30km erreichen. Trotzdem lass ich sie fahren, willenlos, gebrochen, die Sternstunde an der Spinne sollte der Höhepunkt gewesen sein, sollte.
Es kommt die Abfahrt im Bach aus Schlamm, Steinen und etwas Wasser. Hier gibt es keine Ideallinie, hier gibt es nur heile unten ankommen, also unnötiges Bremsen vermeiden und gerade durch. Ab hier weiss keiner mehr, wie Sauberkeit geschrieben wird und am Ende gibt mich der Weg als ein Teil von sich frei, heile. Uwe sehe ich nicht mehr und so fahre ich, es geht wieder, ich merke wieder, das ist ein Rennen und keine RTF. Ein Stück Straße und ab hier habe ich keine Streckenkenntnis, erst wenn ich um die Kurve komme, sehe ich wie es weiter geht. Und als ich nach einer Ortsdurchfahrt vor einer Wand stehe, weiss ich, letztes Jahr kam da oben der Krampf, dieses Jahr nicht. Also ganz langsam und oben ganz langsam wieder Fahrt aufnehmen. Es klappt und ich kann ganz entspannt der nächsten Abfahrt durch die Weihnachtsbaumsammlung entgegenfiebern. Ein kurzes Stück für technikbegeisterte. Und siehe da, der Sportograf. Und siehe da, es blitzt, erst kurz und dann länger, gefolgt von Donner. Ich gebe alles um von der Lichtung weg zu kommen und den vorletzten Anstieg zu beenden. Aber der zieht sich, irgendwann steht was von 10km noch, etwas schade, aber es wird schon Zeit, die Brille mal zu putzen.
Jetzt der letzte Anstieg, heute morgen noch runtergebremst, jetzt hochgekeucht. Und ich bin alleine. Selbst die Kuh ist weg. Ich weiß aber, die Abfahrt ist ganz schnell vorbei und es geht noch mal hoch. Hier habe ich schon manch Fahrer Totenscheine ausstellen sehen. Ich bin vorbereitet und drücke mich den weg entlang, noch mal kurz uns schnell runter, Kurve, nicht die Ideallinie begradigen und weiter langsam hoch. Hier ein Fahrer, der Mann vom TÜV Nord entleert den Ballasttank. Kurz überlege ich ihn vor mir finnischen zu lassen, damit mein Auto immer einen frischen Kleber hat, dann fahre ich aber weiter, manchmal ist es auch gut, wenn der TÜV eine Beziehung beendet.
Nach einer gefühlten Erdumrundung erscheinen die orangen Engel am Horizont und ich darf mich nach links den Hang runter fallen lassen. Auch fällt hier die ganze Anspannung ab und der Schweiß läuft zu den Augen raus, am Anfang nannte ich das noch Glückstränen. Sind es glaube ich auch. Die Spitzkehren noch ein Bein auf dem Boden wird der Rest im Blindflug genommen. Brille von außen voller Regen und Schlamm, innen Salzwasser.
Vor dem Ziel fahre ich noch an Joan De Kinder vorbei, mit ihm habe nach dem Schwimmbad gekreiselt.
Und an der Sportografin, jetzt macht sie die schmutzigen Bilder von mir. Ich könnte sie umarmen, in solch einen Zustand ignoriert dich eigentlich die ganze Welt, sie ist aber gerade als Sportogarfin im Dienst und hat mich beachtet, sie kann jetzt leider nicht.
So fahre ich ein Stück weiter und umarme den Moderator, der redet mit mir. Sein Fehler, mein Glück.
Das ich eine Medaille und ein oranges FunktionsTshirt bekommen habe, merke ich erst bei schadstofffreien Bier und warmen Butterkuchen. Dann kommt auch schon Uwe (Beweis für eine super ausgeschilderte Strecke), selten begeistert, hier aber kaum zu stoppen. In unserm Alter sind wir sehr vernünftig und beeilen uns, unter die warme Dusche zu kommen. Keine Fotos als Andenken, nur die von der Sportografin.
Am Radwaschplatz gönnen wir uns ein Vorwaschgang und der Hauptwaschgang folgt sogleich in einer Autohalle der Feuerwehr. Aber nur kurz, denn zu viel Wasser kann das Hirn verwässern und der Termin des P-Wegs wird für 2012 schon mal gebloggt, ohne eine Nacht drüber geschlafen zu haben. Ich habe den Termin schon in meinem Testament eingetragen, wobei keiner mir sagen kann, ob Startplätze vererbar sind.
Jetzt schnell zum Ziel, die Hallutrinelle 70.3 ist noch unterwegs. Ich hätte ein Problem, wenn ich im Ziel niemanden Umarmen kann und der Autoschlüssel mit den trockenen Wechselsachen unbekannt verweilt. Aber wir sind rechtzeitig vor Ort und gerade nach der Siegerehrung der Damen des Marathons huscht die Hallutrinelle 70.3 über die Bühne, der Moderator erkennt in ihr eine Holländerin und lässt sie laufen.
Wir nicht, sie wird verköstigt und bekommt ein begleitetes Feinwaschprogramm.
Aber vorher habe ich und die Sportografin noch schmutzige Bilder von ihr gemacht.
Hinter der A45 kommt die Sonne wieder raus, im Sauerland dampft es noch. Kein Wunder bei der heißen Veranstaltung, fiebernde Streckenposten, glühende Bremsscheiben, feurige Anstiege und brennende Fotos. Noch mehr hier:
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erste Versuche der Brandbekämpfung, Feierwehrmann