Wer haftet bei Schäden auf CM, Q/P/E, Forumstouren etc.?

Stolle
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Beitragvon Stolle » 04.01.2014, 10:35

Hier mal ein Bericht vom NDR.....

Autostadt Hamburg

Hamburgs rund 1,8 Millionen Einwohner verfügen über mehr als 830.000 Kraftfahrzeuge. Im Vergleich der deutschen Großstädte hat die Hansestadt zwar nicht die meisten Autos pro Einwohner, aber den höchsten Auto-Anteil im täglichen Verkehr und die meisten Staus. Im vergangenen Jahr schmückte sich Hamburg mit dem Titel europäische Umwelthauptstadt. Viele Radfahrer beklagen, die Stadt habe die Chance nicht genutzt, beim Thema Verkehr umzusteuern. Die Stimmung zwischen Rad- und Autofahrern ist oft gereizt. Zuletzt äußerte sich das nach dem tödlichen Unfall am Ruschorter Hauptdeich. Ein Lkw war dort in ein Rennrad-Team gefahren. Im Internet lieferten sich beide Lager anschließend heftige Wortduelle. Kritisiert wird in Hamburg immer wieder der Zustand der Radwege.

Keine Demonstration aus Sicht der Polizei

Dass Critical Mass keine konkreten Forderungen stellt und die Teilnehmer auch keine Parolen rufen oder Fahnen tragen, ist für die Initiative sehr wichtig: Nachdem bereits einige Aktionen mit ein paar Dutzend Teilnehmern durch Hamburg gerollt waren, nahm die Polizei Critical Mass unter die Lupe. Ergebnis: "Das ist keine Demonstration." Polizeisprecherin Sandra Levgrün sagt, die Touren unterlägen somit nicht der Anmeldepflicht, und es gebe keine Auflagen. "Wir beschränken uns auf verkehrspolizeiliche Maßnahmen." Ein paar Streifenwagen fahren mit und versuchen an Kreuzungen, Unfälle zu verhindern. Bisher sei noch nichts passiert. Autofahrer, die sich beschwerten, gebe es zwar, aber keine Anzeigen. Levgrün erläutert, dass die Polizei über die Teilnehmerzahl keine Statistik führe. "Mein Gefühl sagt mir aber - das sind mehr geworden."

Meinungen von Politikern und Verbänden über Critical Mass

SPD Hamburg: "Wünsche weiterhin viel Spaß"


"Es ist ein ungewohntes, aber schönes Bild, wenn statt mit Pkw die Straßen voll sind mit Fahrrädern. Es freut mich, dass Radfahrer auf sich aufmerksam machen. Die monatlichen Aktionen zeigen vor allem die Freude am Radfahren und tragen sicher auch bei den Menschen im Auto dazu bei, Radfahrer besser wahrzunehmen, und zwar explizit auch als gleichwertige Verkehrsteilnehmer auf der Straße. Bisher sind die Radfahrer bei allen Aktionen sehr verantwortungsvoll gewesen, von Seiten der Polizei liegen uns keine Klagen vor. Ich wünsche daher allen Radlern weiterhin viel Spaß!" (Martina Koeppen, Fachsprecherin Verkehr SPD-Fraktion)

Hamburgs CDU fordert mehr Planung

"Die CDU begrüßt das Engagement für mehr Gleichberechtigung von Radfahrern im Straßenverkehr. Allerdings können unangemeldete Willenskundgebungen dieser Art zu erheblichen Problemen im Straßenverkehr führen und damit auch die von der Politik angestrebte Akzeptanz eines friedlichen Miteinanders aller Verkehrsteilnehmer gefährden. Nüchtern betrachtet handelt es sich um eine nicht angemeldete Demonstration, die so auch dauerhaft nicht vom Staat geduldet werden kann. Die CDU würde sich daher freuen, wenn die Initiatoren vielleicht zu einem monatlichen 'Happening' in Abstimmung mit den Behörden aufrufen würden. Ein wenig mehr Planung könnte im Interesse aller Beteiligten und der Sache sein." (Klaus-Peter Hesse, verkehrspolitischer Sprecher CDU-Fraktion)

FDP Hamburg: "Gefährliche Massenrundfahrten"

"Keine Frage, es muss mehr für die Radfahrer in Hamburg getan werden, besonders die Radwege müssen besser werden. Aber einen tragischen Unfall jetzt als Anlass für eventuell gefährliche Massenrundfahrten zu nehmen und so das angespannte Verhältnis Radfahrer-Autofahrer weiter zu belasten - das halte ich nicht für hilfreich." (Hamburger FDP Verkehrspolitiker Wieland Schinnenburg)

ADAC: "Fast jeder Autofahrer ist auch Radfahrer"

"Das A und O im Verkehr ist die gegenseitige Rücksichtnahme. Wir sehen kein Problem darin, wenn Verkehrsteilnehmer ihr Interesse an einer Sache zeigen und in einem Verband fahren. Der ADAC versteht sich als Mobilitätsdienstleister. Fast jeder Autofahrer ist auch Radfahrer, Fußgänger sowieso. Der ADAC sieht die Aktion in keinster Weise problematisch - wenn die Sicherheit gewährleistet ist. Die Straße gehört allen." (Christian Schäfer, Leiter Bereich Technik Verkehr ADAC Hansa)

ADFC: "Lustvolles Gemeinschaftserlebnis"

"Für viele bietet die Critical Mass (CM) eine Chance zu zeigen, dass Radfahren Spaß macht, dass es auch ein lustvolles Gemeinschaftserlebnis sein kann, das über das simple Mobilitätsbedürfnis hinausgeht, und dass immer mehr Menschen das Rad als umweltfreundliches, schnelles und schönes Verkehrsmittel schätzen und nutzen. Die CM stellt aber auch eine klare Forderung an Politik und Verkehrsplaner dar, dem Radverkehr mehr Raum und Rechte zu geben. In einer Autostadt wie Hamburg ist das allemal eine wichtige Botschaft, die nicht oft genug auf der Straße gezeigt werden kann. Radverkehr ist eben keine 'Behinderung des Verkehrs', wie die meisten motorisierten Verkehrsteilnehmer leider fälschlicherweise immer noch glauben - er ist Verkehr." (Dirk Lau, stv. Vorsitzender ADFC Hamburg)

Innenbehörde zu "Die Masse fährt auch bei Rot"

Die Teilnehmer von Critical Mass betrachten sich als "Fahrzeug-Verband". Sie fahren nebeneinander auf der Straße. Und wenn die ersten eine Ampel passiert haben, die dann auf Rot umspringt, fahren die übrigen trotzdem weiter - auch wenn das 900 Leute sind - damit die Gruppe beieinander bleibt. Die Polizei könnte das möglicherweise als Ordnungswidrigkeit ahnden. Aber Behördensprecherin Levgrün beruhigt: "Die Beamten vor Ort sehen das pragmatisch." Schließlich würden die Radfahrer einen viel größeren Stau verursachen, wenn sie an jeder roten Ampel hielten.[/b]
Bagdad-Biker

Beitragvon Bagdad-Biker » 04.01.2014, 13:00

@ Stolle

Was soll uns das jetzt sagen? Mehr, als dass es Befürworter gibt und die Polizei offenbar die Rechtslage (§ 29 STVO mehr als 100 Teilnehmer = anmeldepflichtig) nicht kennt bzw. sie aufgrund der Deeskalation nicht beachtet, kann ich dem Text nicht entnehmen.
Knud
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Beitragvon Knud » 05.01.2014, 01:02

Bagdad-Biker hat geschrieben:Was soll uns das jetzt sagen? Mehr, als dass es Befürworter gibt und die Polizei offenbar die Rechtslage (§ 29 STVO mehr als 100 Teilnehmer = anmeldepflichtig) nicht kennt bzw. sie aufgrund der Deeskalation nicht beachtet, kann ich dem Text nicht entnehmen.
Ich bin kein Jurist, das als Disclaimer vorweg. Aber ich halte die Rechtslage nicht für so eindeutig.
Stolle hat geschrieben:den NDR zitierend: Nachdem bereits einige Aktionen mit ein paar Dutzend Teilnehmern durch Hamburg gerollt waren, nahm die Polizei Critical Mass unter die Lupe. Ergebnis: "Das ist keine Demonstration."
Als die Polizei sich diese Gedanken gemacht hat, waren es offenbar noch keine "mehr als 100 Teilnehmer." Demonstrationen sind m. W. aber auch mit weniger Teilnehmern anmeldepflichtig. Diese Anmeldepflicht verneint die Polizei. (Das kann man sicher anders sehen, muß man Parolen rufen, damit es eine Demo ist??). Aber wird die Straße "übermäßig" benutzt, wenn ein geschlossener Verband von Radfahrern auf ihr fährt? Es ist Straßennutzung.

Wann fängt übermäßig an? Dann muß man wohl argumentieren, die CM sei keine Veranstaltung im Sinne des §29 StVO. Kraftfahrzeuge im geschlossenem Verband sind anzumelden, daraus folgt mittelbar, daß geschlossene Verbände von Radfahrern (als solche) nicht anzumelden sind.

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Beitragvon Grotefend » 05.01.2014, 14:59

Stolle hat geschrieben:ADFC: "Lustvolles Gemeinschaftserlebnis"

"Für viele bietet die Critical Mass (CM) eine Chance zu zeigen, dass Radfahren Spaß macht, dass es auch ein lustvolles Gemeinschaftserlebnis sein kann, ... (Dirk Lau, stv. Vorsitzender ADFC Hamburg)
Verstehe ich das richtig? Die Straße als Ort der Lustbefriedigung? Dies Statement erhebt hoffentlich nicht den Anspruch, ernsthaft gemeint zu sein oder ernst genommen zu werden. Andernfalls (Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.) könnte ja auch niemand z. B. dem Manta-, Porsche-, Golf-GTI- oder Sonstwasfahrer verwehren, seinen Trieben ebenfalls auf der Strasse freien Lauf zu lassen. Und das denn auch noch im Rudel. Der Himmel (stellvertretend die Polizei) bewahre uns vor soviel (lustvoller) Selbstbefriedigung.
Sonne in den Speichen sieht nur, wer sein Rad bewegt.
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Beitragvon Bagdad-Biker » 06.01.2014, 10:13

Knud hat geschrieben:Dann muß man wohl argumentieren, die CM sei keine Veranstaltung im Sinne des §29 StVO.
Wenn aber bereits CTF´s oder RTF´s, die ja auch nichts weiter als organisierte Ausfahrten sind, anmeldepflichtig sind, wird man mit dieser Argumentation bei einer organisierten CM wohl nicht weit kommen.

Die bisherige Argumentation war bisher stets, dass es sich bei der CM um ein "zufälliges" Zusammentreffen handeln würde. Was aber nicht zutreffend ist, da es im Netz Ankündigungen und Aufrufe zur Teilnahme gibt. Um den Charakter der Zufälligkeit zu erfüllen, müsste die Ankündigung im Netz m.E. schlicht anders formuliert sein. Statt: Die nächste CM ist dann und dann.... vielleicht lieber: ICH fahre dann und dann mit meinem Rad durch HH. Das ist dann tatsächlich keine Veranstaltung, sondern eine private Radtour. Das brauche ich nicht anmelden, und auch nicht, abgesehen von der eigenen Unfall- und Haftpflichtvers., gesondert versichern.

Wenn diesem Fahrer dann 1000 andere (zufällig versteht sich) hinterherfahren, so kann der Einzelne dafür nicht belangt werden.
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Beitragvon sonja1 » 06.01.2014, 14:48

Ich denke, ich sollte mal versuchen, hier aus fachlicher Sicht etwas klarzustellen. Hier werden verschiedene Themenkomplexe miteinander vermengt. Das ist selten gut. Soweit ich das erkennen kann, werden hier drei Fragen diskutiert:

1. Haftung
2. Genehmigungspflicht von Veranstaltungen und
3. Wann ist eine Menschenansammlung eine Veranstaltung

Das wichtigste aus meiner Sicht ist die Frage der Haftung. Hier wurde schon richtigerweise § 823 BGB zitiert. Danach gilt - vereinfacht gesagt: Wer einen anderen fahrlässig oder vorsätzlich schädigt, hat ihm den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Dieser Grundsatz gilt für jeden in jeder Situation. Das ist z. B. der Fall, wenn ich aufgrund eines von mir zu verantwortenden Fahrfehlers einen anderen zu Fall bringe, der sich dann verletzt. Daher sollte wirklich jeder Radfahrer prüfen, ob er bzw. sie eine ausreichende Haftpflichtversicherung besitzt, die für solche Schäden aufkommt. Viele Versicherer schließen nämlich Rennrad (als Training und/oder Rennen) aus. Es gibt aber auch Versicherungen, die den Ausschluß nicht haben. Also, am besten mal nachfragen und ggf. wechseln oder nachverhandeln.

Aber die Haftung gilt natürlich auch, wenn ich zu einer Versammlung o. ä. aufrufe und dieser Aufruf ursächlich ist für einen dadurch entstehenden Schaden. Das juristische Problem besteht dann immer darin, einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Verhalten des "Veranstalters" und dem Schaden herzustellen. Aber grundsätzlich kann man auch als Veranstalter Schäden verursachen (z. B. durch unreichende Streckenabsicherung o. ä.).

Davon völlig unabhängig ist die Frage der Genehmigungspflicht von Veranstaltungen. Das ist eine öffentlich-rechtliche Frage, während die Frage der Haftung eine privatrechtliche Angelegenheit ist. Die Genehmigungspflicht besagt - grob gesagt - nur folgendes: Die Straßen dienen der Nutzung der Verkehrsteilnehmer zur Fortbewegung, also um von A nach B zu kommen. Wenn die Straßen anders genutzt werden sollen (z. B. für eine Demo) - sog. Sondernutzung , ist dafür quasi eine Ausnahmeerlaubnis erforderlich: die Genehmigung. Diese Frage will ich hier aber nicht weiter vertiefen. Nur eins noch: Die Frage, ob jemand haftet, also verantwortlich ist für einen entstandenen Schaden, ist unabhängig von der Frage der Genehmigungspflicht. Man kann auch haften, ohne eine Genehmigung eingeholt zu haben.

Kommen wir zum letzten Punkt: Ab wann ist eine Menschenansammlung eine Veranstaltung? Meiner Einschätzung nach handelt es sich bei einer CM um eine Veranstaltung, weil eben keine "normale" Straßennutzung, sondern eine Demo vorliegt. Aber mutmaßlich handelt die Polizei so, wie Bagdad-Biker es beschrieb:
Würde ein Verbot/Auflösung der CM nichts bringen. Binnen Minuten wäre per Handy oder www ein neuer Startort vereinbart. Die CM würde sich in kleine Gruppen aufteilen und dorthin aufbrechen (hier fehlt der Polizei zum Unterbinden dann die rechtliche Handhabe. Weil der einzelne Radfahrer ja unbescholten ist) und es würde ein stundenlang andauerndes Katz- und Mausspiel beginnen, bei dem die Polizei stets einen Schritt zu spät kommen würde.

Der Senat wählt also schlichtweg das geringere Übel und sieht zu, dass die ganze Geschichte schnellstmöglich, mit möglichst geringem Aufwand und so friedlich wie möglich abgehandelt wird.
So, das war´s erstmal, was ich dazu beitragen wollte. Für den "normalen" Fori, der einfach nur gerne Rad fährt, gilt: Bitte prüft eure Haftpflichtversicherungssituation und fahrt vorsichtig.
Sonja - die radelnde Anwältin

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Re: Critical Mass Hamburg 12'13 (Bericht + Bilder)

Beitragvon Twobeers » 08.01.2014, 11:05

Bagdad-Biker hat geschrieben:Sehr interessant fand ich, als jemand der hin und wieder mal ein Rennen fährt, übrigens auch zu erfahren, dass sich ein Veranstalter nicht aus der Haftung stehlen kann. Wer kennt nicht diese Ausschreibungen, in denen steht, dass der Veranstalter keine Haftung übernimmt und man mit seiner Anmeldung versichert, man sei ausreichend Unfall-, Kranken- und Haftpflichtversichert. Alles Unsinn. Passiert dir was, haftet die Versicherung oder der Veranstalter, wenn dieser nicht versichert ist. Ohne wenn und aber!

Gilt leider auch für Forumstouren!!!!! :(
Ich glaube, hier wird einiges vermischt. Bei der letzten Huschke-Gedenkfahrt haben wir eine Veranstalter-Haftpflicht abgeschlossen, der Geschäftsführer von eventassec ist ein radfahrender Freund. Mein selbstverschuldeter Schlüsselbeinbruch bei dieser Veranstaltung und die Veranstalterhaftpflicht haben nichts miteinander zu tun. Aber bestimmt meldet sich eventassec bald hier, ich habe ihn zumindest darauf hingewiesen.

Twobeers
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