Heimfelder Dirk hat geschrieben: Den Wahlspruch der Randonneure “100 gehen immer“ konnte ich nicht bestätigen. Nach 100 Metern wäre ich vom Rad gefallen.
@Dirk, lass das mit dem Minigolf und der Berta bloß sein und werde wieder der alte Punktejäger!!! Wir machen uns schon ernsthafte Sorgen.
100 gehen immer ! - Dass das quasi ein Naturgesetz ist, redete ich mir krampfhaft ein, als ich reif für den leider nicht vorhandenen Besenwagen mit Ganzkörper-Schmerz bei der Tankstelle Schönwalde den 2. Kontroll-Stopp machte. Die war bei km 129, d.h Reststrecke bereits unter 100, also eigentlich schon so gut wie da. Wenn da bloß nicht das Rad gewesen wäre !!!
Mein "richtiges" Rad hatte ich eine Woche zuvor beim 200er Audax HH-Brevet geschrottet. Aber sollte darunter der Trainingsplan leiden, wenn in der Garage noch das "Grabbelkisten"-Erstrad steht ? Auf keinen Fall ! Immerhin hatte mich dieses Rad vor Jahren über die Vätternrundan gebracht. Was ist dagegen ein harmloser 200er-Brevet!
Das schien einleuchtend, zeigte sich aber bald als fataler Irrtum. Ein Start mit 90 km am Stück ist bei der Vätternrundan nicht vorgesehen und 90 km am Stück auf einem Rad, das nicht richtig passt, können zur Hölle werden. So langsam kamen längst verdrängte Erinnerungen hoch. Mit dem Rad hatte ich von Anfang an Probleme, die ich zuerst auf meinen damals nicht vorhandenen Trainingszustand und meine Unerfahrenheit zurückführte. Ach ja, und vor der Vätternrunde waren wir sogar beim Bikefitter gewesen. Der hatte geschraubt wie ein Wilder und auf den unmöglichen Fachhändler geschimpft, der mir einen viel zu großen Rahmen "angedreht" hatte. Nach dem Fitting ging es halbwegs, bis ich mein "richtiges" Rad aus dem Keller meines Schwagers befreite und mit dem Erstrad Schluss machte. Und nun rächte es sich nach allen Regeln der Kunst.
Als ich mit Konkursus und Skaterwaage von der Tankstelle losfuhr, wurde mir schnell klar, dass ich es nicht ohne Zwischenpause bis zur Kontrolle Reinfeld bei km 184 aushalten würde. Es war definitiv nicht möglich, auf dem Rad auch nur eine andeutungsweise bequeme Position zu finden. Aber so schön naturnahe Strecken sind, so selten sind geeignete Orte für eine Einkehr. In Klingberg bei Scharbeutz erspähte ich schließlich zu meiner Freude einen Wegweiser zum Hofcafe "Sachsenhof" und musste meine beiden Mitfahrer nicht lange überreden. Es hatte sich gelohnt. Leckerer Kuchen in einem schönen Ambiente. Das sollte in Zukunft unbedingt als Tipp auf den Streckenplan.
Nach der Pause ging es etwas besser, sodass ich bis zur Kontrolle Reinfeld einigermaßen durchhielt. Aber leider wurde die Zeit allmählich knapp und Konkursus und Skaterwaage wollten vor Zielschluss um 20:00 Uhr ankommen. Mir war klar, dass meine malträtierten Knochen das nicht mitmachen würden. So sagte ich den beiden, dass sie zufahren sollten, ich würde gemütlich hinterherzotteln und Konkursus könnte mir dann ja mit dem Auto entgegenkommen, sozusagen als Besenwagen von vorn.
Über die Tücken dieses Plans dachte niemand lange nach und so entschwanden die beiden in der Dämmerung. Was für eine Erleichterung für mich ! Jetzt konnte ich endlich schleichen und anhalten, wie ich wollte, und schob das Rad erst einmal ein Weilchen, um die Gliedmaßen aufzulockern. Dieser Spaziergang erwies sich als Wohltat, sodass das Radeln wieder etwas leichter fiel. Nur musste ich jetzt zusätzlich den Kopf anstrengen, um mir die Namen der Ortschaften zu merken, durch die ich durch war. Konkursus brauchte schließlich für den geplanten Besenwageneinsatz meine genaue Position.
Ca. 20:10 Uhr schloss ich mein Handy sicherheitshalber an das Akkupack an und wunderte mich, dass Konkursus sich noch nicht gemeldet hatte. Konnte es sein, dass die beiden die Zielzeit doch nicht geschafft hatten? Vielleicht war sein Akku leer oder sein Guthaben verbraucht. Vielleicht sollte ich etwas später bei den Veranstaltern anrufen. Auf dem Stempelzettel steht normalerweise eine Notrufnummer. Oh nein !!!! Konkursus hatte beide Zettel eingesteckt, weil er praktischerweise immer die Stempel für uns beide holt.
Aber das war nun auch egal. Langsam, aber sicher näherte ich mich dem Ziel. Den "Besenwagen"-Plan hatte ich inzwischen sowieso als idiotisch verworfen. Wie sollte mich Konkursus finden, wenn ich ihm sagte, dass ich irgendwo auf dem Wirtschaftsweg bin, der ca. 2 km vor Bargteheide rechts abgeht. Und dann dieses unübersichtliche Ammersbek mit 'zig eingemeindeten Ortsteilen. Das hätte nie geklappt. So blieb nur noch die Hoffnung, dass er nicht auf eigene Faust losgefahren war und beim Parkplatz wartete. Das hatte er auf den - sehr guten - Rat von Andrea hin auch getan und regte sich als erstes darüber auf, dass ich nicht ans Telefon gegangen war. Er hätte sich die Finger wund telefoniert. Wieso ??? Was für Anrufe??? Ich holte mein Handy 'raus. Tatsächlich, ein entgangener Anruf nach dem anderen. Des Rätsels Lösung: Ich hatte beim Ranfummeln des Akkupacks offenbar aus Versehen die Stummschaltung erwischt. Böse Touch-Screen-Falle.
Am Ende war ich froh, die ganze - doch sehr abwechslungreiche - und auch im Dunklen reizvolle Strecke hinter mich gebracht zu haben. Ich hoffe, ich habe noch einmal Gelegenheit, sie mit meinem "richtigen" 'Rad fahren.
Ulrike