Die beide fühlten sich voll im Recht, meinten, dass sie auf eine gefühlte Verkehrsbehinderung - wir fuhren in 2er-Reihe - mit einer Verkehrsgefährdung reagieren durften. Und wenn nicht, schien dies auch kein Problem zu sein. Der Polizist wäre ihr Nachbar. Die beiden waren von keinerlei Selbstzweifeln geplagt. Dagegen kommt man mit Verstand nicht gegen an. Für den Fall, dass Christian tatsächlich Anzeige erstatten wird, hab ich die eine Autonummer und die Hausnummer notiert, stehe als Zeuge bereit, habe die Daten per PN übermitteln.
Dazu Christian: Da eine Anzeige nicht all zu viel bringen wird, dachte ich mir, dem Herrn eventuell einen geharnischten Brief zu schreiben, den könnten wir dann alle unteschreiben, dann sieht es vielleicht noch ein wenig gewichtiger aus.
Wieviele waren wir heute überhaupt beim Training? Wahrscheinlich bin ich mal wieder derjenige, der sich am meisten aufregt, ich sehe es ein. Normalerweise bin ich da auch schon etwas gelassener geworden, aber diesmal war nun der Umstand so, dass wir den mehr oder weniger zu fassen gekriegt haben und der jetzt exemplarisch meinen angestauten Ärger abbekommt. Ist ja nicht das erstemal. Und ich habe ehrlich Schiss, dass es irgendwann doch mal knallt, weil so ein Depp so blöde ist.
Darauf würde ich gerne verzichten, war schon mal im Krankenhaus, zum Glück nix Wildes, aber das hat trotzdem gereicht.
Es passiert ansonsten schon genug Mist in der großen weiten Welt, gegen den man sich gar nicht wehren kann. Und logischerweise kommt hierbei auch nichts raus, aber immer nur alles runterschlucken und auf sich beruhen lassen? Kann es das sein? Es war nunmal falsch und absolut rücksichtslos bis mutwillig.
Durch Auf sich beruhen lassen und Abhaken wird es genaugenommen zu einer akzeptierten Verhaltensweise, obwohl es inakzeptabel ist! Hier mal mein Briefentwurf:
Sehr geehrter Herr ,
Bezug nehmend auf unsere Begegnung am 2.5.2007 gegen 18:30 Uhr am so und so Hauptdeich, möchte ich doch noch einige Gedanken loswerden.
Zunächst einmal lassen Sie mich bitte Ihnen einige erklärende Worte vorausschicken.
Die Radfahrer, die Sie überholten, sind Radsportler der Betriebssportgruppen der Hamburger Sparkasse, des NDR und der Feuerwehr Hamburg. Neben einigen Bankangestellten sind auch ein Krankenpfleger und ein Rettungssanitäter in unseren Reihen.
Diese Ausfahrt war eine offizielle Trainingsfahrt, zu der sich besagte Betriebssportgruppen und Gäste regelmäßig Mittwoch abends treffen. Dabei trainieren wir unter anderem auch für die Vattenfall Cylassics, die nicht nur für uns, sondern insgesamt mehr als 20.000 Hobby- und Breitensportler einer der radsportlichen Höhepunkte des Jahres sind. Mit dieser Teilnehmerzahl gehören die Cyclassics zu den größten und wichtigsten so genannten Jedermannrennen Europas.
Seit mehr als 10 Jahren locken die Cyclassics mehrere Hunderdtausend begeisterte Zuschauer an den Streckenrand. Vielleicht waren Sie selbst auch schon einmal dabei?
Insgesamt gibt es in Hamburg übrigens 26 Radsportvereine, der Radsportverband Hamburg hat mehr als 2000 Mitglieder.
Bei unserem Mittwochstraining legen wir nach dem Feierabend meist 50 bis 60 Kilometer zurück, dabei liegt unsere Durchschnittsgeschwindigkeit zur Zeit noch bei etwa 25 bis 27 km/h.
Die Strecke am Hauptdeich nutzen wir dabei gerade weil die Strasse mit ihren zwei Spuren breit und vor allem auch übersichtlich ist. Zudem ist der Straßenbelag sehr gut, was zusätzlich das Unfallrisiko mindert.
Die zahlreichen kleineren und kurvigen Nebenstraßen durch die Vierlande sind hingegen schlechter einzusehen und bieten nicht selten zwei Autos nebeneinander nur sehr wenig Platz, das Überholen ist dort für alle Verkehrsteilnehmer erschwert, egal ob ein Traktor, ein Postauto ein Mofa oder eine Gruppe Radsportler unterwegs ist. Selbst das Vorbeifahren an parkenden Autos ist mitunter etwas heikel.
Aufgrund dieser vernünftigen und begründeten Überlegungen haben Sie uns auf dem Hauptdeich angetroffen. Das wir nicht auf dem Fußweg fahren, den zu benutzen Radfahrern lediglich freigestellt ist, brauchen wir wohl kaum zu begründen. Bei mit Sportfahrrädern leicht zu erzielenden Geschwindigkeiten von 25 bis 45 km / h und einer so großen Gruppe liegt das auf der Hand, dass auf einem Fußweg nicht an sportliches Training zu denken ist.
Lassen Sie uns nach dieser Vorrede noch einmal an die Situation des Abends denken.
Eine Gruppe von 14? Radsportlern fährt in einer Doppelreihe auf der vollkommen geraden Strasse. Die Gegenfahrbahn ist komplett frei. Die Geschwindigkeit beträgt zu der Zeit etwa 36 km / h. Ein dunkelblauer oder schwarzer Kleinwagen fährt mit äußerst geringem Seitenabstand an der Gruppe vorbei. Augenblicke später folgt ein silberner Kleinwagen, der ebenfalls einen äußerst geringen Seitenabstand einhält. Der Abstand war klein genug, um mit dem ausgestrecktem linken Arm die Autos zu berühren.
Als einer der betroffenen Radsportler frage ich mich, warum Sie nicht einfach einen Meter mehr Abstand beim Überholen gelassen haben? So wenig Platz wie zwischen mir – meinem ungeschützten Körper – und Ihrem Auto war, gab es absolut keinen Raum und keine Zeit, um auf Unvorhergesehenes zu reagieren.
Im Auto bemerkt man eine Windbö nicht sofort, die einen Radfahrer aber ohne weiteres zur Seite drücken kann. Im Auto bemerkt man auch nicht unbedingt die Scherben am Straßenrand oder das Schlagloch, dem ein Radfahrer ausweichen muss, um nicht zu stürzen.
Können Sie sich die verheerende Kettenreaktion vorstellen, die das nach sich ziehen könnte? Wenn in einer Gruppe ein Fahrer stürzt, reißt er oftmals weitere Fahrer mit sich zur Erde. In Verbindung mit einem Auto kann aus so einem Unfall dann schnell eine Katastrophe werden.
Ist es erst einmal zu spät, spielen Recht oder Unrecht, Schuld oder Unschuld auch keine Rolle mehr. Der Leidtragende ist jedenfalls der Radsportler, dessen einzige Knautschzone ein Helm ist. Was außer dem leidlich geschützten Kopf noch so alles kaputtgehen könnte, kann man sich, aber mag man sich nicht vorstellen oder ausmalen.
Der Autofahrer beklagt nach solch einem Zusammenstoß wohl nur ein paar Blechschäden an seinem Auto. So ist es wohl mehr als verständlich und offensichtlich, dass ein Radfahrer einem Zusammenstoß mit einem Auto lieber aus dem Wege geht.
Wie würden Sie sich tief in Ihrem Inneren fühlen, wenn es tatsächlich einen Zusammenstoß gegeben hätte und mehrere Radsportler blutend auf der Straße gelegen hätten? Haben Sie Kinder? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Ihre Kinder einen Verkehrsunfall hätten? Wie kann es einem Menschen aber egal sein, wenn jemand anders das gleiche Leid fühlt? Ich habe jedenfalls Eltern, die schockiert und sehr traurig wären.
Daher kann ich Ihr Verhalten einfach nicht verstehen. Ich wüsste wirklich gerne, was in Ihnen in der Situation vorging und hinterher vorgeht.
Mein Ärger ist kein Ärger über Recht oder Unrecht. Ich habe Angst um meine Gesundheit, die ich vollkommen unnötigerweise und leider auch in trauriger Regelmäßigkeit gefährdet sehe. Bei beinahe jeder Trainingsfahrt kommt es zu solchen Überholmanövern, die man bestenfalls als leichtsinnig oder unüberlegt bezeichnen könnte, die in Wahrheit aber vollkommen rücksichtslos sind und einen tatsächlichen Unfall billigend in Kauf zu nehmen scheinen.
Als ein Beispiel für einen Unfall zwischen einem Auto und einer Gruppe Radsportler mögen Sie hier nachlesen:
http://www.radsport-aktiv.de/sport/sportnews_35313.htm
http://www.radsport-aktiv.de/sport/sportnews_35314.htm
Eventuelle Unklarheiten über Rechte und Pflichten im Straßenverkehr, über die wir offenbar unterschiedlicher Meinung waren, mögen Sie hier nachschlagen und klären:
http://bundesrecht.juris.de/stvo/index.html
§ 1 Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Jeder Verkehrsteilnehmer hat sich so zu verhalten, daß kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
§ 2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge
(4) Radfahrer müssen einzeln hintereinander fahren; nebeneinander dürfen sie nur fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird. Sie müssen Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet ist. Andere rechte Radwege dürfen sie benutzen. Sie dürfen ferner rechte Seitenstreifen benutzen, wenn keine Radwege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden. Das gilt auch für Mofas, die durch Treten fortbewegt werden.
§ 5 Überholen
(4) Wer zum Überholen ausscheren will, muß sich so verhalten, daß eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Beim Überholen muß ein ausreichender Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu Fußgängern und Radfahrern, eingehalten werden. Der Überholende muß sich sobald wie möglich wieder nach rechts einordnen. Er darf dabei den Überholten nicht behindern.
§ 27 Verbände
(1) Mehr als 15 Radfahrer dürfen einen geschlossenen Verband bilden. Dann dürfen sie zu zweit nebeneinander auf der Fahrbahn fahren.